Bezeichnung einer Haftanstalt für Migranten als „österreichisches Guantanamo“ zulässig

In einem am 30. Oktober 2023 veröffentlichen Urteil (Az. 55 Cg 33/23y – 14) hat das Handelsgericht Wien eine Zivilklage des in Wien ansässigen International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), einer zwischenstaatlichen Organisation mit 19 Mitgliedstaaten, gegen die österreichische NGO SOS Balkanroute abgewiesen. In dem Verfahren ging es um Kritik von SOS Balkanroute an der Beteiligung des ICMPD an der Errichtung einer Haftanstalt für Migranten im bosnischen Flüchtlingslager Lipa nahe der kroatischen Grenze.

SOS Balkanroute hatte die Haftanstalt unter anderem als „österreichisches Guantanamo“ bezeichnet und in Verbindung mit kroatischen Pushbacks nach Bosnien und Herzegowina gebracht, ICMPD wollte erreichen, dass diese Aussagen nicht wiederholt werden dürfen, scheiterte mit diesem Ansinnen aber. Das Gericht hielt den Vergleich der Haftanstalt mit einem österreichischen Guantanamo für zwar „überzeichnet, aber im Kern als treffend und daher insgesamt nicht zu beanstanden“. SOS Balkanroute verwende den Begriff als Synonym für einen rechtsfreien Raum ohne rechtsstaatliche Prinzipien, in dem Menschen ihrer Rechte beraubt stranden könnten.

Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten versuchten, Asylsuchende ohne förmliche Asylverfahren aus dem Gemeinschaftsgebiet abzuschieben, bevor oder obwohl diese einen Asylantrag gestellt hätten. Die Haftanstalt sei gegen den Willen von Teilen der Regierung des Staates Bosnien und Herzegowina und der kantonalen und lokalen Behörden und ohne Baugenehmigung errichtet worden und ohne dass es eine rechtliche Grundlage für eine Inhaftierung von Schutzsuchenden gäbe.

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ISSN 2943-2871