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Ausgabe 13 • 17.9.2021

Nicht nach Syrien

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Abschiebungen nach Syrien untersagt, die Anforderungen an eine Ausweisung nach strafrechtlicher Verurteilung präzisiert und eine vorläufige Maßnahme aufgehoben, die sich auf Asylsuchende an der lettisch-belarussischen Grenze bezog. Außerdem in dieser Ausgabe ein weiteres Revisionsverfahren zur Auslegung der EU-Qualifikationsrichtlinie nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Wehrdienstverweigerung sowie Entscheidungen zur Frage des Rechtsschutzinteresses im Eilrechtsschutzverfahren, zu fiktiven Klagerücknahmen und zu faktischen Inländern.

Abschiebungen nach Syrien würden gegen Artt. 2, 3 EMRK verstoßen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 14. September 2021 (Az. 71321/17 u.a., M.D. u.a. gg. Russische Föderation) festgestellt, dass eine drohende Abschiebung der Beschwerdeführer nach Syrien u.a. gegen die Art. 2 (Recht auf Leben) und Art. 3 (Verbot der Folter) der EMRK verstoßen würde. In den entschiedenen Verfahren sah der Gerichtshof ein reales Risiko, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Abschiebung Misshandlung oder Tod drohen würde, unter anderem wegen der zu erwartenden Einberufung zum Militärdienst und wegen unterstellter Zugehörigkeit zur politischen Opposition.

Verstoß gegen Art. 8 EMRK durch Ausweisung nach Verurteilung wegen illegalen Waffenbesitzes

Mit Urteil vom 14. September 2021 (Az. 41643/19, Abdi gg. Dänemark) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass Dänemark mit der Ausweisung des wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilten somalischen Beschwerdeführers, der seit über 20 Jahren in Dänemark lebt, Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verletzt habe. Der Beschwerdeführer sei insbesondere nicht auf die Gefahr einer Ausweisung hingewiesen worden und habe sehr starke Bindungen zu Dänemark, dagegen so gut wie keine Bindungen zu Somalia.

EGMR hebt Eilbeschluss zu Flüchtlingen an lettischer Grenze auf

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat laut seiner Pressemitteilung vom 15. September 2021 die vorläufigen Maßnahmen aufgehoben, die er am 25. August im Verfahren 42165/21 (Ahmed u.a. gegen Lettland) erlassen hatte. Aus der Gruppe der ingesamt 41 Beschwerdeführer hätten 11 Personen aus humanitären Gründen nach Lettland einreisen könnne, die übrigen Beschwerdeführer schienen sich nicht mehr an der Grenze aufzuhalten, so der Gerichtshof.

Weitere Revision gegen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Wehrdienstentziehung in Syrien zugelassen

In einem weiteren Beschluss vom 22. Juli 2021 (Az. 1 B 27.21) hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Januar 2021 (Az. OVG 3 B 68.18) zugelassen, in dem das OVG einem syrischen Asylbewerber die Flüchtlingseigenschaft wegen Wehrdienstentziehung zuerkannt hatte. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und könne zur Klärung der Frage dienen, welche Anforderungen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020 (Az. C-238/19) an die Annahme einer „starken Vermutung“ für eine Verknüpfung zwischen der Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU genannten Voraussetzungen mit einem der in Art. 10 der Richtlinie genannten Verfolgungsgründe sowie an deren Widerlegung zu stellen seien.

Rechtsschutzinteresse für Eilrechtsschutz auf Erteilung einer Duldung

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 20. August 2021 (Az. 2 M 89/21) entschieden, dass das Rechtsschutzinteresse eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO, ihm eine Duldung gemäß § 60a AufenthG zu erteilen, erst mit einer unmissverständlichen Anerkennung seines Rechtsanspruchs auf weitere Duldung durch die zuständige Ausländerbehörde entfalle. Es folge im Regelfall aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dass der betroffene Ausländer jederzeit ein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung besitze, mit der die Abschiebung vorläufig untersagt werde.

Unrechtmäßige Bejahung der Wirksamkeit einer fiktiven Klagerücknahme

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 26. August 2021 (Az. 3 N 110/21) die Berufung gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) zugelassen, weil der Kläger hinreichend dargelegt habe, dass das Verwaltungsgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) verletzt habe, indem es zu Unrecht die Wirksamkeit einer fiktiven Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 AsylG bejaht habe. Aus der Übersendung einer Mitteilung der Ausländerbehörde, dass der Kläger nicht mehr in ihrem Zuständigkeitsbereich gemeldet und sein derzeitiger Aufenthalt nicht bekannt sei, ließen sich bei einer Gesamtschau sämtlicher Umstände des Einzelfalls keine berechtigen Zweifel am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses des Klägers ableiten.

Erfüllung der Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 S. 2 AufenthG und faktische Inländer

In seinem Beschluss vom 6. September 2021 (Az. 3 A 419/18) hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen ausgeführt, dass allein das Erfüllen der in § 25b Abs. 1 S. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen einen Ausländer noch nicht zu einem „faktischen Inländer“ werden lasse. Insofern sei daraus für einen Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgrund der unterschiedlichen Normzwecke der Vorschriften kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Recht auf Privatleben nach Art. 8 EMRK abzuleiten.

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