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Ausgabe 40 • 8.4.2022

Unverzügliche Anzeige

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stiftet mit seinem Idomeni-Urteil Verwirrung in Fachkreisen, das Bundesverwaltungsgericht definiert die Anforderungen an die unverzügliche Anzeige eines Anschriftenwechsels und das Verwaltungsgericht Aachen verbietet eine Dublin-Überstellung nach Ungarn. Außerdem geht es um Verfolgung in Syrien und die aufschiebende Wirkung von Klagen in Zweitantragsfällen.

Idomeni-Urteil des EGMR

In seinem viel beachteten Urteil vom 5. April 2022 (Verfahren 55798/16 u.a., A.A. u.a. gg. Nordmazedonien) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Fortführung und Erweiterung seiner Rechtsprechung zum Kollektivausweisungsverbot (Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK) entschieden, dass die Zurückschiebung oder Abschiebung von Migranten ohne individuelle Prüfung ihrer Schutzersuchen nicht gegen das Kollektivausweisungsverbot verstoßen soll, wenn sie legale Einreisemöglichkeiten in vorwerfbarer Weise nicht genutzt hätten. Dabei hält der EGMR fest, dass es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass den Beschwerdeführern solche legalen Einreisemöglichkeiten in Nordmazedonien nicht zur Verfügung gestanden hätten. Eine kritische Besprechung des Urteils findet sich im Verfassungsblog.

Anforderungen an unverzügliche Anzeige bei Umzug

Eine „unverzügliche“ Anzeige eines Wechsels der Anschrift im Sinne von § 10 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG liege vor, wenn der Ausländer den Anschriftenwechsel bei den im Gesetz genannten Stellen binnen zwei Wochen, gerechnet ab dem tatsächlichen Umzugstag, angezeigt habe, so das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14. Dezember 2021 (Az. 1 C 40.20), außerdem sei die Anzeige nach § 10 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG formlos möglich.

Keine Dublin-Überstellung nach Ungarn

Das Verwaltungsgericht Aachen hat mit Beschluss vom 24. März 2022 (Az. 5 L 199/22.A) die Dublin-Überstellung einer Familie nach Ungarn für rechtswidrig gehalten, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gebe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für die Antragsteller in Ungarn systemische Schwachstellen aufweisen.

Keine generelle Verfolgung in Syrien

Mit Beschluss vom 30. März 2022 (Az. 2 LB 641/19) hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg festgehalten, dass eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus den Gründen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für syrische Asylkläger ohne Hinzutreten besonderer risikoerhöhender individueller Umstände auch weiterhin nicht aus einer Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe und/oder zum yesidischen Glauben folge, und dass von einer regelhaften geschlechtsspezifischen Verfolgung syrischer Frauen ohne Hinzutreten solcher risikoerhöhenden Umstände gleichermaßen nicht ausgegangen werden könne.

Aufschiebende Wirkung der Klage in Zweitantragsverfahren

Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster hat mit Beschluss vom 31. März 2022 (Az. 1 B 375/22.A) in einem weiteren Verfahren die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablehnung eines Asylantrags in einem Zweitantragsverfahren nach § 71a AsylG angeordnet und sich auf u.a. auf den Beschluss des 17. Senats des OVG Münster vom 9. Dezember 2021 (Az. 17 B 1728/21.A) und auf das beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren bezogen, das auf einen Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 16. August 2021 (Az. 9 A 178/21) zurückgeht.

Vermischtes vom BVerwG

In zwei weiteren Verfahren, in denen es um die Frage der Zulässigkeit von Dublin-Abschiebungen nach Italien ging, hat das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzulassungsbeschwerden des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gegen Urteile des OVG Münster mit Beschlüssen vom 8. und 10. Februar 2022 (Az. 1 B 15.22 und 1 B 19.22) zurückgewiesen.