Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 17. August 2022 eine vorläufige Maßnahme im Verfahren N.H. u.a. gegen Griechenland (Az. 39505/22) erlassen, die es der griechischen Regierung verbietet, insgesamt 49 syrische und türkische Beschwerdeführer aus Griechenland abzuschieben, und sie dazu verpflichtet, die Beschwerdeführer zu versorgen. Die Betroffenen sollen sich laut einem NGO-Bericht seit dem 14. August 2022 auf einer Insel im Evros-Fluss aufhalten, der die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei bildet. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern offenbar nicht um die Geflüchteten, die sich laut Medienberichten wochenlang auf einer Insel in dem Fluss aufgehalten haben und zu denen der EGMR bereits Ende Juli eine vorläufige Maßnahme erlassen haben soll, die die griechische Regierung aber mit der Begründung nicht beachtet haben soll, dass die Betroffenen sich nicht auf griechischem Gebiet befänden.
Einem Pressebericht vom 18. August 2022 zufolge hat das Verwaltungsgericht Gießen in einem Urteil vom 4. August 2022 die Klage einer vor vier Jahren aus der Ukraine geflüchteten Frau gegen die Ablehnung ihres Asylantrags abgewiesen und dabei auch einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes verneint. Trotz des Kriegs in der Ukraine sei im Falle einer Rückkehr der Klägerin ein ernsthafter Schaden nicht beachtlich wahrscheinlich und seien Hinweise der Klägerin auf den Krieg „pauschal“. So pauschal, wie das VG Gießen damit subsidiären Schutz für aus der Ukraine Geflüchtete verneint, so pauschal ging das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 20. April 2022 (Az. M 18 K 19.32390) dagegen davon aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes für aus der Ukraine Geflüchtete vorliegen.
§ 34a Abs. 1 S. 2 AsylG erlaubt die Durchführung eines Dublin-Verfahrens in „Aufgriffsfällen“ und den Erlass einer Abschiebungsanordnung auch dann, wenn in Deutschland gar kein Asylantrag gestellt wurde. Beruft sich der Aufgegriffene allerdings darauf, dass er aus der Ukraine geflohen und gemäß der UkraineAufenthÜV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sei und einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG habe, wird die Rechtslage etwas unübersichtlich. Mit einem solchen Fall hatte sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 10. August 2022 (Az. 12 L 1303/22.A) zu befassen, in dem es einer Klärung dieser Rechtslage jedoch aus dem Weg ging. Der Betroffene habe zwar einen Ankunftsnachweis vorgelegt, in dem er als ukrainischer Staatsangehöriger bezeichnet werde, der ein Schutzgesuch geäußert habe, jedoch seien ihm weder eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Fiktionsbescheinigung erteilt worden. Beides ist gemäß der UkraineAufenthÜV jedenfalls bis Ende August 2022 gar nicht erforderlich (ab dem 1. September 2022 dann aber in der Regel schon), insofern hätte eine etwas vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie nahegelegen. Ein polnischer Dublin-Treffer von November 2021 dürfte dazu beigetragen haben, dass das VG Düsseldorf eine solche Auseinandersetzung für entbehrlich hielt.
Das Bundessozialgericht äußert in seinem Terminsbericht vom 11. August 2022 (Az. B 8/7 AY 1/21 R) „ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel“ an den Regelungen über die leistungsrechtliche Zwangsverpartnerung alleinstehender erwachsener Personen bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft, hat den Beteiligten in dem verhandelten Verfahren jedoch einen Vergleich vorgeschlagen. Das ist aus Sicht des Gerichts zwar praktisch, weil es damit eine etwaige Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vermeiden kann, trägt aber auch nicht gerade zur Klärung der Rechtslage bei. Immerhin ist beim Bundesverfassungsgericht noch die Vorlage des Sozialgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 13. April 2021, Az. S 17 AY 21/20) anhängig, so dass die Frage früher oder später geklärt werden wird.
In seinem Beschluss vom 25. April 2022 (Az. XIII ZB 38/21) präzisiert der Bundesgerichtshof die Anforderungen, die an die Wirksamkeit des Verzichts auf Beistand durch die Teilnahme eines Verfahrensbevollmächtigten an einer Haftanhörung zu stellen sind. Für einen wirksamen Verzicht müsse dem rechtsunkundigen Betroffenen nicht nur die Verfahrenssituation erläutert werden, und dies im Protokoll der Anhörung festgehalten werden, sondern müssten ihm auch die Folgen des Verzichts ausreichend verdeutlicht werden, dass nämlich eine erneute Anhörung in derselben Instanz nicht mehr stattfinde und dem Betroffenen der Beistand eines Rechtsanwalts in der Anhörung somit endgültig versagt bleibe. Geschehe das nicht, sei der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt und die gleichwohl angeordnete Abschiebungshaft ohne Weiteres rechtswidrig.