Es ist nicht neu, dass in konservativen Medien zum munteren Halali auf die Rechte Schutzsuchender geblasen wird, ein besonders schönes Beispiel liefert jetzt aber die Welt am Sonntag vom 1. September 2024 (Paywall), die in einem (sich gefühlt alle zwei Wochen wiederholenden) Themenschwerpunkt zur Abschaffung des Asylrechts einen Verwaltungsrichter zitiert, der „nicht namentlich genannt werden möchte“: Es sei „völlig aussichtslos, dass Dublin-Überstellungen irgendwann einmal in nennenswerter Zahl stattfinden, solange es Rechtsschutz gibt“, weil nicht „die Kleinigkeiten“ das Problem seien, sondern „das System“. Als ob auch dieser Verwaltungsrichter es nicht besser wüsste: Das Problem ist nicht irgendein „System“, sondern eine (aus verschiedenen Gründen) in Deutschland wie in anderen EU-Staaten rechtswidrige Behördenpraxis, die Schutzsuchenden ihre Rechte vorenthält. Wer die derzeit rechtswidrigen Zustände legalisieren will, der soll es auch sagen.
Das immerhin tut Daniel Thym in seinem Beitrag „Zurück zu den Ursprüngen“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2. September 2024 (Paywall). Er träumt einen (einigermaßen dystopischen) Traum von der guten alten Zeit, in der deutsche und europäische Gerichte noch nicht damit begonnen hatten, aus Menschen- und Grundrechten mehr und mehr Rechte für Schutzsuchende abzuleiten. In seiner romantisch verklärten Vision einer Rückkehr zu dieser Zeit akzeptiert die Rechtsprechung „abgeschwächte Verfahrensgarantien und sogar Pushbacks ganz ohne Verfahren“ und damit die Abschaffung von Einzelfallprüfungen mit Individualrechtsschutz. Eine Realisierung dieser Vision hält Thym für alternativlos, weil sie ansonsten früher oder später (hier schlägt kulturpessimistische Schwarzmalerei durch) von noch radikaleren Kräften realisiert würde, und zwar dadurch, dass diese Kräfte die Gerichte (und vermutlich das Recht insgesamt) ignorieren würden. Es ist aus seiner Sicht offenbar anzustreben, diesen Kräften zuvorzukommen und ihre Pläne für sie zu verwirklichen.
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