Verfolgung eines syrischen Wehrdienstentziehers wegen einer ihm unterstellten politischen Haltung

Mit Urteil vom 23. März 2022 (Az. 1 LB 484/21) hat das Oberverwaltungsgericht Bremen entschieden, dass eine Militärdienstverweigerung i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bei einem im minderjährigen Alter ausgereisten Syrer vorliegt, wenn dieser nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters in Deutschland verbleibt, sich nicht bei den syrischen Behörden als Wehrpflichtiger meldet und keine Befreiung vom Wehrdienst erwirkt, weil er den Militärdienst nicht ableisten möchte. Die Ableistung des Militärdienstes durch einen einfachen syrischen Wehrpflichtigen, der seine Einheit, Funktion und seinen Einsatzort im Rahmen des Militärdienstes noch nicht kenne, würde in einem Konflikt stattfinden und sehr wahrscheinlich Verbrechen oder Handlungen umfassen, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Es bestehe eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Bestrafung einfacher syrischer Wehrdienstentzieher in Form einer – kurzzeitigen – Inhaftierung vor ihrer Einberufung, die zu erwartende Bestrafung wegen der Militärdienstverweigerung i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG knüpfe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an eine dem syrischen Wehrdienstentzieher unterstellte politisch oppositionelle Haltung an.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871