Es ist zu erwarten, dass der Deutsche Bundestag in den kommenden Wochen die beiden deutschen Umsetzungsgesetze zur GEAS-Reform von 2024 verabschieden wird, nämlich das GEAS-Anpassungsgesetz, und, gemeinsam mit dem Bundesrat, das GEAS-Anpassungsfolgengesetz. Diese Umsetzung wird zu umfangreichen Änderungen unter anderem im Aufenthaltsgesetz und im Asylgesetz führen und verlangt bereits mit der Verabschiedung der beiden deutschen Umsetzungsgesetze nach einer Neuauflage der HRRF-Textausgabe zum deutschen Migrationsrecht. Gleichzeitig soll die Gelegenheit genutzt werden, um das Konzept dieser Textausgabe zu schärfen und zu fokussieren. Was das genau bedeutet, wird in der Einführung zur Neuauflage der Textausgabe erklärt werden, die hier bereits vorab gelesen werden kann.
Einführung
1. Stellen Sie sich vor, Sie könnten eine Textausgabe mit den aktuellen Texten von genau drei Gesetzen aus dem Bereich des deutschen Migrationsrechts zusammenstellen. Welche drei Gesetze würden Sie auswählen? Vermutlich dieselben drei Gesetze, die ich für diese Textausgabe ausgewählt habe, nämlich das Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz. Es liegt auf der Hand, dass diese drei Gesetze in der migrations- und flüchtlingsrechtlichen Beratungspraxis besonders relevant sind.
2. Es liegt allerdings nicht unbedingt auf der Hand, warum es genau drei Gesetze sein müssen und nicht vielleicht einige Gesetze mehr, wie dies noch in früheren Ausgaben dieser Textausgabe der Fall war. Ich kann neben dem Kriterium der praktischen Bedeutung zwei weitere Gründe ins Feld führen, die die Reduktion auf nur drei Gesetze rechtfertigen: Zum einen hatte der Umfang dieser Textausgabe mit den ursprünglich elf in ihr abgedruckten Gesetzen (und Rechtsverordnungen) bereits fast 500 Seiten erreicht, was in der praktischen Handhabung unübersichtlich war. Zum anderen führt die im Laufe des Jahres 2026 in Kraft tretende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) dazu, dass die konkrete Gestalt der in der Textausgabe abgedruckten Gesetze jedenfalls in einer Übergangszeit unübersichtlicher als zuvor werden wird, was bereits die zweite Unübersichtlichkeit darstellt. Gleich zwei solcher Unübersichtlichkeiten rechtfertigen eine quantitative Beschränkung auf wenige, zentrale Gesetze, meine ich, und da ist die Zahl drei genauso gut wie jede andere kleine Zahl.
3. Wo wir gerade von der GEAS-Reform sprechen: Mit Ausnahme der GEAS-Reform hat sich im deutschen Migrationsrecht im vergangenen halben Jahr wenig getan. Einmal abgesehen von einem im Oktober 2025 neu eingefügten § 91h AufenthG, in dem es um Datenübermittlungen im Kontext des Europäischen Einreise-/Ausreisesystems (EES) geht, haben das Aufenthaltsgesetz und das Asylgesetz nur destruktive Änderungen erlebt, nämlich die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte im Juli 2025 und das Ende des Chancenaufenthaltsrechts zum Jahresende 2025. Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde derweil nicht verändert.
4. Aber zurück zur GEAS-Reform: Die Herausforderung bei der GEAS-Reform ist, sie in dieser Textausgabe bereits jetzt adäquat abzubilden, obwohl sie erst im Laufe des Jahres 2026 in Kraft treten wird, und das bis dahin geltende deutsche Recht ebenfalls nicht zu vernachlässigen. Die GEAS-Reform wird in Deutschland durch das GEAS-Anpassungsgesetz und durch das GEAS-Anpassungsfolgengesetz umgesetzt werden, soweit eine solche Umsetzung überhaupt erforderlich war und ist.
5. Interessanterweise werden einige der Regelungen des GEAS-Anpassungsgesetzes bereits mit der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten, obwohl die GEAS-Reform auf europäischer Ebene erst zum 12. Juni bzw. 1. Juli 2026 in Kraft treten wird. Im Einzelnen betrifft das die folgenden zwei Regelungen:
- Eine Erweiterung des in § 18a AsylG geregelten Flughafenverfahrens um weitere Fallkonstellationen, in denen das Asylverfahren noch am Flughafen, d.h. an der deutschen Grenze, durchgeführt wird. Der Gesetzgeber bezeichnet diese Erweiterung als „Pilotprojekt“, in dem Erfahrungen für die spätere Anwendung des neuen Grenzverfahrens gemäß Artt. 42ff. der neuen Asylverfahrensverordnung 2024/1348 gesammelt werden sollen, das dem deutschen Flughafenverfahren sehr ähnlich ist.
- Die Einfügung eines neuen § 47a AsylG, der den Aufenthalt von Schutzsuchenden in „Aufnahmeeinrichtungen zur Durchführung von Verfahren bei Sekundärmigration“ regelt. So eine Aufnahmeeinrichtung ist so etwas wie ein Dublin-Zentrum, nur noch restriktiver, weil etwa § 47a Abs. 2, 3 AsylG erlaubt, dass Behörden „Beschränkungen der Bewegungsfreiheit“ anordnen dürfen, die das Verlassen der Aufnahmeeinrichtungen verbieten. Diese Regelung ist ersichtlich Art. 9 der neuen Aufnahmerichtlinie 2024/1346 entnommen.
6. Die übrigen aus den beiden deutschen Umsetzungsgesetzen resultierenden Änderungen von Aufenthaltsgesetz, Asylgesetz und Asylbewerberleistungsgesetz, die erst im Laufe des Jahres 2026 in Kraft treten werden, werden in der Textausgabe [in eckigen Klammern und kursiver Schrift] unter Angabe des Datums des jeweiligen Inkrafttretens wiedergegeben.
7. Die neun europäischen Verordnungen, die gemeinsam mit der neuen, bis zum 12. Juni 2026 in nationales Recht umzusetzenden Aufnahmerichtlinie den europäischen Teil der GEAS-Reform ausmachen, sind übrigens schon heute (Resettlementverordnung), oder ab dem 12. Juni 2026 (Asylverfahrensverordnung, Grenzrückführungsverordnung, Screening-Verordnung, Screening-Konsistenz-Verordnung, Eurodac-Verordnung), oder ab dem 1. Juli 2026 (AMM-Verordnung, Qualifikationsverordnung, Krisenverordnung) anwendbar, siehe dazu im Detail und mit den Texten aller dieser zehn europäischen Rechtsakte die HRRF-Textausgabe zur GEAS-Reform 2024.

