Aktuelles zur Zustellfiktion

Lässt sich nicht feststellen, wie, durch wen und wann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Kenntnis einer Anschrift eines Ausländers gelangt ist, handelt es sich nicht um die zuletzt bekannte Anschrift des Ausländers nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AsylG, sagt das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 14. September 2023 (Az. 34 K 307/22 A). Der Ausländer müsse die Zustellung unter einer solchen Anschrift nicht nach der Norm gegen sich gelten lassen, auch wenn er zwischenzeitlich dort tatsächlich wohnhaft gewesen sei, sie im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten dem Bundesamt hätte mitteilen müssen und im Zeitpunkt der Zustellung bereits unter einer weiteren anderen Anschrift wohnhaft sei, die er ebenso wenig unverzüglich mitgeteilt habe.

Das Landgericht Kaiserslautern lehnt es in seinem Beschluss vom 3. November 2023 (Az. 5 Qs 73/23) ab, § 10 AsylG auch im Strafverfahren anzuwenden. Die Vorschrift spreche mehrfach von „Asylverfahren“ und „Asylantrag“. Neben dem Wortlaut der Norm spreche auch ihre systematische Einbettung in das Asylgesetz, das in der Sache vor allem das zur Feststellung des jeweiligen Status durchzuführende Statusfeststellungsverfahren regele, gegen die Anwendbarkeit der besonderen Zustellungsvorschrift im Strafverfahren. Es könne auch nicht deshalb etwas Anderes gelten, weil der Beschuldigte nach dem Strafbefehl den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verwirklicht haben solle. Bei der Frage, welche Zustellungsvorschriften für das jeweilige Verfahren gelten, nach dem jeweiligen Straftatbestand zu unterscheiden, sei unpraktikabel und könne erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringen. Außerdem sei zu sehen, dass das Aufenthaltsgesetz zunächst für alle Ausländer gelte, während das Asylgesetz spezielle Regelungen nur für bestimmte Ausländer, nämlich solche, die Asyl begehren, bereithalte.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Verbleibende Spielräume

    Der in dieser Einleitung zur Verfügung stehende Platz soll heute ausnahmsweise nicht dazu verwendet werden, um auf die (zahlreichen) wichtigen Entscheidungen der Woche hinzuweisen. Stattdessen geht es um die HRRF-Website, die in dieser Woche nicht nur sozusagen runderneuert wurde, damit sie noch mehr Inhalte und viele…

    Weiterlesen..

  • Herausragende Bedeutung

    Das Bundesverfassungsgericht legt nach und rügt erneut einen Grundrechtsverstoß bei der Anordnung von Abschiebungshaft, während der Bundesgerichtshof bei der Anordnung von Abschiebungshaft in einem anderen Verfahren eher großzügige Standards anwendet. Daneben geht es in dieser Woche um eine willkürliche Kostenentscheidung eines Sozialgerichts, ein beim Europäischen Gerichtshof…

    Weiterlesen..

  • Rechtsstaatliche Gesichtspunkte

    In den HRRF-Newsletter haben es diese Woche gleich drei aktuelle Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts geschafft, in denen es um rechtswidrige Abschiebungen und verweigerte Akteneinsicht, um gerichtliche Benachrichtigungspflichten bei der Anordnung von Abschiebungshaft und um die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch in Eilverfahren geht. Der Verwaltungsgerichtshof München nimmt derweil…

    Weiterlesen..

  • Praktische Wirksamkeit

    So richtig viel war nicht los in der flüchtlingsrechtlichen Rechtsprechung in dieser Woche (bitte senden Sie gerne aktuelle Entscheidungen ein!), ein wenig dann aber doch. Es geht unter anderem um die nunmehr vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Frage, ob ein aus dem EU-Primärrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht von der…

    Weiterlesen..

  • Kompetentes Personal

    Der Europäische Gerichtshof hat es schon wieder getan und räumt mit der Gewohnheit offenbar vieler nationaler Asylbehörden auf, die Fristen zur Entscheidung über Asylanträge fast schon regelhaft von sechs auf 15 Monate zu verlängern. Das Verwaltungsgericht Stade mahnt derweil eine qualifizierte Auseinandersetzung mit ausländischen Flüchtlingsanerkennungen an,…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871