Ein erstinstanzliches asylgerichtliches Urteil leidet nicht schon dann an einem Begründungsmangel gemäß § 138 Nr. 6 VwGO, der zur Zulassung der Berufung führen muss, wenn das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen weder den Begriff des subsidiären Schutzes noch die Vorschrift des § 4 AsylG erwähnt, sagt der Verwaltungsgerichtshof München recht spitzfindig in seinem Beschluss vom 10. Juli 2023 (Az. 14 ZB 22.31080). Im entschiedenen Verfahren enthalte das verwaltungsgerichtliche Urteil nämlich, so der VGH, in seinen Entscheidungsgründen Aussagen, die (immerhin) nach ihrem Gesamtzusammenhang für eine eigenständige verwaltungsgerichtliche Begründung zur Verneinung subsidiären Schutzes sprächen. So resümiere das Verwaltungsgericht etwa in den Entscheidungsgründen, dass die vom Kläger glaubhaft gemachten Aktivitäten zur Begründung einer ihm konkret drohenden Rückkehrgefährdung im Ergebnis nicht genügten, und greife mit den Worten „Begründung“ und „Rückkehrgefährdung“ Kriterien auf, die auch im Rahmen der Prüfung des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG („Gründe“, „drohen“) eine Rolle spielten.
Der VGH erläutert in seinem Beschluss außerdem, dass das Verwaltungsgericht auch keine „selbständigen“ Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne von § 146 ZPO übergangen habe. Darunter seien solche Angriffs- und Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildeten. Ob ein Erkenntnismittel wie etwa eine Auskunft des Auswärtigen Amts ein „selbständiges“ Angriffs- und Verteidigungsmittel für die Zuerkennung subsidiären Schutzes sei, dessen Übergehen ein Urteil im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO unvollständig machen könne, hänge im konkreten Einzelfall davon ab, ob sich eine Zuerkennung subsidiären Schutzes tatbestandlich vollständig aus diesem Erkenntnismittel herleiten lasse.
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