Mit Beschluss vom 1. August 2023 (Az. 1 C 19.22) hat das Bundesverwaltungsgericht ein Revisionsverfahren ausgesetzt, in dem es offenbar um die Frage geht, ob § 71a Abs. 1 AsylG mit der EU-Asylverfahrensrichtlinie vereinbar ist, wenn ein Asylantrag als Zweitantrag mit der Begründung abgelehnt wird, dass bereits in einem anderen EU-Staat außer Dänemark oder Irland ein Asylverfahren durchgeführt wurde. Der Beschluss verweist auf die beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahren C-123/23 (Khan Yunis) und C-202/23 (Baabda u. a.), die beide durch Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Minden vom 28. Oktober 2022 (Az. 1 K 1829/21.A und 1 K 4316/21.A) initiiert wurden.
Inhaltlich geht es in den nun beim EuGH anhängigen Verfahren um Art. 33 Abs. 2 lit. d) EU-Asylverfahrensrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig ablehnen können, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, und um die Frage, ob diese Bestimmung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 71a Abs. 1 AsylG über Zweitanträge in bestimmten Fallkonstellationen entgegensteht. Der EuGH hatte bereits entschieden, dass eine Vorschrift wie § 71a Abs. 1 AsylG nicht mit Art. 33 Abs. 2 lit. d) EU-Asylverfahrensrichtlinie vereinbar ist, wenn das erste Asylverfahren in einem Drittstaat (wie Norwegen, Urteil vom 20. Mai 2021, Rs. C-8/20) durchgeführt wurde, oder in einem EU-Staat, der nicht an die EU-Qualifikationsrichtlinie gebunden ist (wie Dänemark, Urteil vom 22. September 2022, Rs. C-497/21). Noch offen und jetzt relevant ist aber noch die Frage, ob Art. 33 Abs. 2 lit. d) EU-Asylverfahrensrichtlinie einer Bestimmung wie § 71a Abs. 1 AsylG mitgliedstaatsübergreifend auch dann entgegensteht, wenn das erste Asylverfahren in einem EU-Mitgliedstaat durchgeführt wurde, der an die EU-Qualifikationsrichtlinie gebunden ist, und wenn das Verfahren dort entweder bestandskräftig abgeschlossen oder eingestellt wurde.
Hinzuweisen ist noch darauf, dass beide Vorabentscheidungsverfahren vom EuGH mit fiktiven Namen bezeichnet wurden, die nicht den echten Namen der Verfahrensbeteiligten entsprechen; der EuGH vergibt seit 2023 fiktive Namen an Verfahrensbeteiligte und nutzt dazu einen IT-basierten Namensgenerator.
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