In seinem Urteil vom 9. November 2023 (Rs. C-125/22) erläutert der Europäische Gerichtshof detailliert die aus Art. 15 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU folgenden Anforderungen, die bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes an die Feststellung eines drohenden ernsthaften Schadens zu stellen sind, insbesondere in Hinblick darauf, dass Art. 15 der Richtlinie unterschiedliche Arten eines drohenden ernsthaften Schadens unterscheidet. Der EuGH führte aus, dass zwar jede Art eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 der Richtlinie einen eigenständigen Grund für die Zuerkennung subsidiären Schutzes darstelle, dass es jedoch keine Rangfolge zwischen den verschiedenen aufgeführten Arten des ernsthaften Schadens gebe.
Die für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständige nationale Behörde sei verpflichtet, zunächst alle relevanten tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die Beweise darstellen könnten, bevor sie danach feststelle, welche in Art. 15 der Richtlinie definierte Art von ernsthaftem Schaden diese Anhaltspunkte möglicherweise belegen würde. Dabei dürfe sie Anhaltspunkte, die für die Beurteilung des Antrags möglicherweise relevant seien, nicht allein deshalb unberücksichtigt lassen, weil der Antragsteller sie (nur) zur Stützung einer einzigen in Art. 15 definierten Art eines ernsthaften Schadens vorgebracht habe.
Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sei außerdem dahingehend auszulegen, dass die zuständige nationale Behörde bei der Beurteilung, ob tatsächlich die Gefahr bestehe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, andere Anhaltspunkte der individuellen Lage und der persönlichen Umstände des Antragstellers berücksichtigen können müsse als den bloßen Umstand, dass der Antragsteller aus einem Gebiet eines bestimmten Landes komme, in dem im Sinne des Urteils des EGMR vom 17. Juli 2008 (Az. 25904/07, NA. gg. Vereinigtes Königreich) die „extremsten Fälle allgemeiner Gewalt“ auftreten.
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