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Ausgabe 106 • 28.7.2023

Schlicht unbegründet

Das Sommerloch schlägt nun auch in der deutschen Asylrechtsprechung zu, nur noch vereinzelt erblicken berichtenswerte Gerichtsentscheidungen das Tageslicht. In dieser Woche geht es um das „Offensichtlichkeitsmerkmal“, die Grenzen vorübergehenden Schutzes für Drittstaatsangehörige und um die Konkretisierung einer Zielstaatsbestimmung.

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Aufhebung des Offensichtlichkeitsmerkmals

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg meint in seinem Beschluss vom 10. Juli 2023 (Az. 3 L 36/23), dass im Hauptsacheverfahren das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Aufhebung des Merkmals der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags fehlt, wenn dieses nicht auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylG, sondern auf § 30 Abs. 4 AsylG gestützt wurde, und dem Kläger eine Ausreisefrist nicht gesetzt wurde, weil ihm ein Abschiebungsverbot zuerkannt wurde und deshalb die Abschiebungsandrohung entfällt. Eine Titelerteilungssperre nach § 10 AufenthG sei bei Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nur in den Fällen des § 30 Abs. 3 AsylG vorgesehen, während in anderen Fällen die Annahme einer offensichtlichen Unbegründetheit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG mit Blick auf den hiermit allein verfolgten Beschleunigungszweck nur im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von Bedeutung sei. Durch erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO werde der Betroffene einem Asylbewerber gleichgestellt, dessen Asylantrag bereits vom Bundesamt als „schlicht“ unbegründet eingestuft worden sei.

Grenzen des Schutzes aus § 24 Abs. 1 AufenthG für Drittstaatsangehörige

Unter Berufung auf einen noch nicht veröffentlichten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 29. Juni 2023 (Az. 18 B 285/23) geht das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 18. Juli 2023 (Az. 22 L 1063/23) davon aus, dass der Geltungsbereich des § 24 Abs. 1 AufenthG nur solche Personen umfasst, denen auf der Grundlage von Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG durch Ratsbeschluss verbindlich vorübergehender Schutz gewährt worden ist. Demgegenüber entfalte Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022, wonach die Mitgliedstaaten neben ukrainischen Staatsangehörigen auch Staatenlosen und Staatsangehörigen anderer Drittländer Schutz gewähren können, wenn sie sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren könnten, gegenüber den Mitgliedstaaten keine verbindliche Wirkung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2001/55/EG. Außerdem seien politische oder administrative (Leit-)Entscheidungen oder Hinweise zur Umsetzung des § 24 Abs. 1 AufenthG nicht geeignet, weiteren Personenkreisen als denen, welchen durch den Durchführungsbeschluss unmittelbar vorübergehenden Schutz gewährt wird, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG zu vermitteln.

Keine Konkretisierung der Zielstaatsbestimmung durch Ausländerbehörde

Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seinem den Asylantrag ablehnenden Bescheid wegen Identitätstäuschung eine Abschiebungsandrohung ohne konkreten Zielstaat erlassen, folgt aus der speziellen Zuständigkeitsbestimmung des § 34 AsylG die alleinige Zuständigkeit des Bundesamtes für die Konkretisierung des Zielstaats nach Bekanntwerden des Herkunftsstaates des Ausländers, meint das Oberverwaltungsgericht Weimar in seinem Beschluss vom 14. Juli 2023 (Az. 4 EO 365/23). Es bestehe daneben auch keine Zuständigkeit der Ausländerbehörde für den Erlass einer Zielstaatskonkretisierung gemäß §§ 71 Abs. 1, 59 Abs. 1 und 2 AufenthG, weil die allgemeine Zuständigkeitsregelung des § 71 Abs. 1 AufenthG durch die asylrechtliche, spezielle Zuständigkeitsregelung in § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3, § 34 Abs. 1 AsylG verdrängt werde.

Vermischtes vom Bundesverwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht hat weitere Volltexte einiger seiner Urteile vom 19. Januar 2023 (Az. 1 C 44.21, 1 C 47.21, 1 C 51.21, 1 C 54.21, 1 C 57.21) veröffentlicht, in denen es um die Voraussetzung der Anerkennung als Flüchtling nach Verweigerung des Militärdienstes in Syrien ging. Das BVerwG hatte zu diesen Urteilen bereits im Januar 2023 eine Pressemitteilung veröffentlicht.