Mit Beschluss vom 8. September 2021 (Az. 44205/21) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine vorläufige Maßnahme gegen Litauen erlassen, die bis zum 29. September 2021 die Zurückschiebung von fünf afghanischen Asylsuchenden nach Belarus verbietet. Die Asylsuchenden halten sich an der litauisch-belarussischen Grenze auf, befinden sich aber nach eigenen Angaben bereits auf litauischem Gebiet.
Mit Urteil vom 9. September 2021 (Az. C-18/20) hat der Europäische Gerichtshof Art. 40 der Asylverfahrens-Richtlinie 2013/32/EU ausgelegt. Danach sei die Wendung „neue Elemente oder Erkenntnisse“, die „zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind“, im Sinne von Art. 40 der Richtlinie so auszulegen, dass sie sowohl Elemente oder Erkenntnisse umfasse, die nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den früheren Antrag auf internationalen Schutz eingetreten seien, als auch Elemente oder Erkenntnisse, die bereits vor Abschluss dieses Verfahrens existierten, aber vom Antragsteller nicht geltend gemacht wurden; außerdem dürfe ein Mitgliedstaat, der keine Sondernormen zur Umsetzung dieser Bestimmung erlassen habe, nicht in Anwendung der allgemeinen Vorschriften über das nationale Verwaltungsverfahren die Prüfung eines Folgeantrags in der Sache ablehnen, wenn die neuen Elemente oder Erkenntnisse, auf die dieser Antrag gestützt werde, zur Zeit des Verfahrens über den früheren Antrag existierten und in diesem Verfahren durch Verschulden des Antragstellers nicht vorgebracht wurden.
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 9. September 2021 (Az. C‑768/19) entschieden, dass die EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU so auszulegen ist, dass bei der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen für die Frage, ob die Person, der internationaler Schutz bereits zuerkannt wurde, „minderjährig“ im Sinne dieser Bestimmung ist, auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem der Antragsteller – gegebenenfalls formlos – seinen Asylantrag eingereicht habe. In dem Verfahren, das aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts eingeleitet wurde, führte der EuGH aus, dass eine solche Auslegung sowohl mit den Zielen der Richtlinie im Einklang stehe als auch mit den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten, wonach das Wohl des Kindes eine vorrangige, von den Mitgliedstaaten besonders zu berücksichtigende Erwägung darstellen müsse, bei deren Beurteilung sie u.a. dem Grundsatz des Familienverbands sowie dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen gebührend Rechnung tragen müssten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 18. August 2021 (Az. 2 BvR 908/21) einer gegen eine Auslieferung nach Rumänien gerichteten Verfassungsbeschwerde stattgegeben, weil die Auslieferung des Beschwerdeführers gegen Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) verstoßen würde. Das Gericht verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach aus Art. 4 GRCh für ein mit einem Überstellungsersuchen befasstem Gericht die Pflicht folge, in zwei Prüfungsschritten von Amts wegen aufzuklären, ob die konkrete Gefahr bestehe, dass die zu überstellende Person nach einer Übergabe einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein werde: Habe das Gericht im ersten Prüfungsschritt systemische oder allgemeine Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat festgestellt, so sei es im zweiten, auf die Situation des Betroffenen bezogenen Prüfungsschritt verpflichtet, genau zu prüfen, ob es unter den konkreten Umständen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gebe, dass die gesuchte Person im Anschluss an ihre Übergabe an den Ausstellungsmitgliedstaat aufgrund der Bedingungen, unter denen sie inhaftiert sein wird, dort einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt sein werde.
Mit Beschluss vom 26. August 2021 (Az. 6 L 295/21) hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren einen Anspruch von Personenschützern des ehemaligen afghanischen Präsidenten auf Beförderung nach Deutschland und auf Erteilung von Visa für die Einreise abgelehnt. Ein Anspruch auf Beförderung ergebe sich insbesondere nicht aus dem Konsulargesetz, ein Anspruch auf Visumserteilung gemäß § 22 AufenthG folge nicht aus einer Ermessensreduzierung im Wege einer Selbstbindung der Verwaltung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, weil es sich bei den Antragstellern nicht um ehemalige Ortskräfte bzw. deren Familienangehörige handele.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Urteilen vom 7. September 2021 (Az. 1 C 46.20 u. 1 C 47.20) entschieden, dass nicht schon die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung im Bundesgebiet durch den Ausländer während des asylgerichtlichen Verfahrens fristverkürzend für die Bemessung der Dauer eines abschiebungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen sei, sondern erst deren erfolgreicher Abschluss. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Frage sei dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 AsylG), wird die Ausbildung erst danach abgeschlossen, sei der Ausländer darauf zu verweisen, nach Maßgabe des § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Verkürzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots bei der dann zuständigen Ausländerbehörde zu beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat mit Beschluss vom 20. August 2021 (Az. 11 S 41/20) die Anforderungen an einen Familiennachzug nach § 27 AufenthG klargestellt. Dabei dürfe ein Aufenthaltstitel zum Familiennachzug eines Drittstaatsangehörigen zu einem im Bundesgebiet lebenden Drittstaatsangehörigen insbesondere nur dann erteilt werden, wenn das Bestehen der nach Art. 2 Buchst. d und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG erforderlichen tatsächlichen familiären Bindungen aufgrund einer individuell vorgenommenen Prüfung positiv festgestellt werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof München hat mit Beschluss vom 30. August 2021 (Az. 19 C 21.1861) zur Rechtsnatur der zwangsweisen Durchsetzung einer Verpflichtung zur Vorsprache bei einer Expertendelegation und zur Auslegung von § 82 Abs. 4 AufenthG Stellung genommen. Eine Vorführung vor eine Expertendelegation stelle keine Freiheitsentziehung i.S.d. Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG dar; bei der Bezugnahme auf § 40 BPolG in § 82 Abs. 4 Satz 3 AufenthG handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung, die das Vorliegen einer Freiheitsentziehung voraussetze.
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Juni 2021 (Az. XIII ZB 59/20) entschieden, dass in einem Beschwerdeverfahren gegen Abschiebungshaft dem Antrag eines Verfahrensbevollmächtigten auf Überlassung von Verfahrens- und Sachakten in seine Kanzlei zu entsprechen sei, sofern die zeitlichen Umstände des Verfahrens das erlauben und dem weder akten- noch personenbezogene wichtige Gründe entgegenstünden. Die Verweigerung einer solchen Aktenüberlassung und der Verweis auf eine Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Gerichts können im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens inzident auf eine Verletzung der Rechte des Betroffenen überprüft werden; eine solche Beeinträchtigung der Rechtsstellung liege vor, wenn die Entscheidung ermessensfehlerhaft sei und dem Beteiligten faktisch die Möglichkeit nehme, von seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Gebrauch zu machen.