Die praktische HRRF-Monatsübersicht für Juli 2021 ist jetzt online als PDF-Dokument zum Download verfügbar. Sie enthält auf fünf Seiten 42 Entscheidungen, die im Juli veröffentlicht wurden, geordnet nach sechs Themenbereichen.
Laut einer Pressemitteilung vom 29. Juli 2021 hat das OVG Münster in zwei Verfahren (11 A 1674/20.A, 11 A 1689/20.A) am 20. Juli 2021 entschieden, dass aus Italien nach Deutschland weitergereiste Schutzberechtigte oder Asylsuchende ohne Aussicht auf Unterbringung und Arbeit in Italien nicht rücküberstellt werden dürften. Vorschriften, die den Verlust des Rechts auf Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung regelten, seien weiterhin in Kraft, die hohe Jugendarbeitslosigkeit führe für die noch jungen Kläger dazu, dass sie keine Arbeit finden könnten, die sie in die Lage versetzen würde, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
Das OVG Saarlouis hat mit Beschluss vom 15. Juli 2021 (Az. 2 A 10/21) in einem Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil ausgeführt, dass eine Rückführung von in Griechenland international Schutzberechtigten nur unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu betrachten sei. Es ließe sich nicht generell beantworten, ob für jeden in Griechenland international Schutzberechtigten nach dessen Anerkennung oder Rückführung aus Deutschland dorthin eine Situation bestehe, in der der Schutzbereich des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union beziehungsweise des Art. 3 EMRK in einem generell nicht mehr zumutbaren Ausmaß beeinträchtigt sei.
Das OVG Münster hat mit Beschluss vom 22. Juli 2021 (Az. 19 A 177/21.A) ein verwaltungsgerichtliches Urteil teilweise aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht es trotz Beweisanträgen unterlassen habe, über die Frage des Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit Beweis zu erheben. Die Entscheidung knüpft an den Beschluss des OVG vom 7. Mai 2021 an, in dem die Berufung zugelassen worden war.
An sich, so das OVG Hamburg in seinem Beschluss vom 18. Juni 2021 (Az. 1 Bf 148/21.AZ), verletze es den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheide, obwohl das wegen § 101 VwGO erforderliche Einverständnis der Beteiligten nicht vorliege; dies gelte aber nicht, wenn ein solches Einverständnis erteilt und nicht wirksam widerrufen wurde. Mit dieser Begründung lehnte das OVG den vom BAMF gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung ab: Der Widerruf der allgemeinen Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 sei im vorliegenden Verfahren zu spät erfolgt.
In dem vom OVG Greifswald mit Beschluss vom 16. Juni 2021 (Az. 4 LZ 251/21 OVG) teilweise stattgegebenen Antrag auf Zulassung der Berufung war aufgrund eines Versehens des Verwaltungsgerichts das erstinstanzliche Urteil zunächst nicht wirksam verkündet worden und hatte der Kläger daraufhin neues und entscheidungserhebliches Vorbringen geäußert, das das Gericht allerdings nicht mehr berücksichtigte. Darin, so das OVG, liege ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, außerdem hätte das Verwaltungsgericht das Vorbringen als konkludenten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 116 Abs. 2 VwGO behandeln müssen.
Der VGH Mannheim hat mit Urteil vom 13. Juli 2021 (Az. A 13 S 1563/20) erneut entschieden, dass die Einberufung zum Nationaldienst in Eritrea grundsätzlich nicht an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal anknüpfe und dass etwas anderes auch nicht aus der (auch) politischen Dimension des Nationaldienstes folge. Außerdem bildeten Frauen im eritreischen Nationaldienst keine soziale Gruppe und ließe sich nicht feststellen, dass eritreischen Staatsbürgern im Fall einer Rückkehr allein auf Grund einer bloß einfachen Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Gruppierung flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung drohe.
Als Verstoß gegen das Refoulement-Verbot (Art. 3 EMRK) und gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK) sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 20. Juli 2021 (Az. 29447/17, D. gg. Bulgarien) das Verhalten Bulgariens, das im Oktober 2016 einen aus der Türkei geflohenen Journalisten umgehend zurück in die Türkei abgeschoben hatte. Auch wenn zwischen den Beteiligten umstritten war, ob der Beschwerdeführer in Bulgarien formell um Asyl nachgesucht habe, hätte Bulgarien in Anbetracht der vom Beschwerdeführer geäußerten Befürchtungen und angesichts der Lage in der Türkei nach dem Putschversuch von Amts wegen prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer wahrscheinlich Mitglied einer Gruppe sei, die systematisch einer Praxis der Misshandlung ausgesetzt sei, so der EGMR, und habe dem Beschwerdeführer auch keine effektive Möglichkeit gegeben, sich gegen eine Abschiebung in die Türkei rechtlich zur Wehr zu setzen.
Das OVG Greifswald geht in seinem Urteil vom 26. Mai 2021 (Az. 4 L 238/13) davon aus, dass eine Bestrafung oder sonstige Verfolgung eines syrischen Asylbewerbers, der sich durch Flucht seiner Wehrdienstpflicht entzogen habe, im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht beachtlich wahrscheinlich sei. Ohne ein Hinzutreten besonderer gefahrerhöhender Umstände sei außerdem nicht davon auszugehen, dass Rückkehrer allein wegen ihrer Ausreise, Asylantragstellung und längerem Aufenthalt im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung zu befürchten hätten.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2021 (Az. 2 M 360/21 OVG) hat das OVG Greifswald zu Einzelheiten der Auslegung von § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG Stellung genommen, der als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf das Einfügen in die Lebensverhältnisse in Deutschland abstellt. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Körperverletzung reiche dabei für eine negative Integrationsprognose nicht aus, außerdem müsse die Prognose unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände erfolgen; allerdings sei der Rechtsgedanke des § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, wo für die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis auf ein Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG abgestellt werde, nicht entsprechend anwendbar.
Der Beschluss des OVG Greifswald vom 22. Juni 2021 (Az. 2 M 384/21 OVG) geht davon aus, dass nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt der Ausländerbehörde der Verwaltungsakt zwar nach § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG noch materiell-rechtlich wirksam sei, dass er aber gleichwohl keine Grundlage für andere Verwaltungsakte der Behörde sein könne, die tatbestandlich voraussetzten, dass der Aufenthalt des Ausländers rechtswidrig geworden ist. Es handele sich um eine prozessuale Frage, die im Sinne eines weiten Vollzugsbegriffs zu betrachten sei, so dass aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes auch das durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung erreichte Vollzugsverbot weit zu verstehen sei.