Das Landgericht Coburg hält in seinem Beschluss vom 7. November 2022 (Az. 41 T 25/21) die Inhaftierung von Abschiebungshaftgefangenen in der ehemaligen JVA Eichstätt für rechtswidrig. Die ehemalige JVA werde zwar nunmehr ausschließlich für Abschiebungshäftlinge genutzt, allerdings handele es sich bei ihr nicht um eine spezielle Abschiebungshafteinrichtung nach Art. 16 Abs. 1 der EU-Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG, was sich letztlich aus den baulichen Gegebenheiten der Einrichtung als ehemaliger JVA und aus dem Umstand ergebe, dass der Haftvollzug im Wesentlichen auf Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes beruhe, und was zur Rechtswidrigkeit der Haft führe. Ob das nicht genauso für andere bayerische Abschiebungshafteinrichtungen gelten muss, und ob die anderen zuständigen bayerischen Landgerichte dies nicht auch so sehen, und wie überhaupt die bayerische Staatsregierung damit umzugehen gedenkt, liefert hoffentlich noch Stoff für viele weitere Newsletter-Ausgaben.
In seinem Urteil vom 1. Dezember 2022 (Rs. C-564/21) hat sich der Europäische Gerichtshof auf Grundlage eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zu der Frage geäußert, welche europarechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Akteneinsicht im Asylverfahren zu stellen sind und wie die Formulierung in Art. 11 Abs. 1 der EU-Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU zu verstehen ist, die eine „schriftliche“ Entscheidung über Asylanträge verlangt. Danach steht Europarecht der deutschen Verwaltungspraxis grundsätzlich nicht entgegen, Einsicht in die elektronische Akte in Form einer Abfolge einzelner PDF‑Dateien ohne durchgehende Paginierung zu übermitteln, und erfordert Europarecht nicht, dass eine Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz mit der Unterschrift des Bediensteten der zuständigen Behörde, der die Entscheidung verfasst hat, versehen sein muss.
In seiner Pressemitteilung vom 29. November 2022 weist das Bundesverwaltungsgericht auf sein Urteil vom selben Tag (Az. 8 CN 1.22) hin, in dem es entschieden hat, dass die Wählbarkeit von Personen mit Migrationshintergrund zu einem Integrationsbeirat nicht von einem gesichertem Aufenthaltsrecht abhängen darf. Die angegriffene Regelung benachteilige Personen mit Migrationshintergrund, die über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen, und diene zwar einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, weil sie darauf ziele, eine kontinuierliche Mitwirkung der Gewählten im Beirat zu sichern, sei aber nicht geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen, weil es keine Rückschlüsse auf die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts im Landkreis erlaube. Für die Aufenthaltsdauer wesentliche rechtliche Möglichkeiten zur Verlängerung und Verfestigung des Aufenthalts würden ausgeblendet, gleiches gelte für die tatsächlichen Umstände des Aufenthalts. So könne sich bei einer Duldung zu Ausbildungszwecken oder wegen eines langjährigen Kriegs oder Bürgerkriegs im Herkunftsstaat ebenfalls eine voraussichtlich längere Aufenthaltsdauer ergeben. Der Volltext des Urteils ist noch nicht verfügbar.
In dieser Woche wurde in der Süddeutschen Zeitung, wie bereits im Frühling diesen Jahres unter anderem in der ANA-ZAR, auf eine bereits 23 Jahre alte Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. Februar 1999 (Az. 2 BvR 283/99) zur Relevanz einer bevorstehenden Bleiberechtsregelung für die Verhinderung von Abschiebungen hingewiesen, die bei den betroffenen Behörden „allgemein nicht bekannt war“. Danach gelte, dass auf den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen verzichtet werden müsse, wenn der (gesetzgeberische) Beschluss einer Bleiberechtsregelung zumindest „konkretisiert unmittelbar bevorstehe“ und die von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Betroffenen davon profitieren würden.
Mit Beschluss vom 23. November 2022 (Az. 13 ME 276/22) hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg seine bisherige Rechtsprechung zur gerichtlichen Zuständigkeit für die Anordnung ausländerrechtlicher Durchsuchungsanordnungen in Niedersachen aufgegeben und sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 19. Oktober 2022, Az. 1 B 65/22) angeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. Oktober 2022 (Az. 1 B 34.22) eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Verfahren zurückgewiesen, in dem es um die Relevanz von Wehrdienstentziehung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und um die Definition der „starken Vermutung“ ging.