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Ausgabe 81 • 3.2.2023

Technische Gründe

Ungarn wird erneut wegen eines Pushbacks verurteilt, Frauen im Nationaldienst in Eritrea sollen keine soziale Gruppe bilden, das italienische Asylverfahren aber systemische Mängel aufweisen. Eine Vertrauensperson braucht kein Vertrauensverhältnis, eine Verfassungsbeschwerde aber eine vorherige Anhörungsrüge.

Ungarn wegen Pushback verurteilt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 2. Februar 2023 (Az. 59435/17, Alhowais gg. Ungarn) Ungarn wegen eines Pushbacks nach Serbien im Juni 2016 verurteilt. Ungarn habe die Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 und Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt.

(Nur) subsidiärer Schutz für Frauen im Nationaldienst in Eritrea

Weder die Einberufung zum Nationaldienst in Eritrea noch eine Bestrafung oder andere drohende Maßnahmen wegen Entziehung vom Nationaldienst knüpfen an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal an, meint das Oberverwaltungsgericht Bremen in seinem Beschluss vom 24. Januar 2023 (Az. 1 LA 200/21). Nach der bestehenden Erkenntnislage bestehe zwar eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass Frauen im militärischen Teil des Nationaldienstes von sexuellen Übergriffen betroffen seien, so dass subsidiärer Schutz, nicht aber die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz in Betracht komme, weil Frauen im Nationaldienst keine bestimmte soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bildeten.

Systemische Mängel im italienischen Asylverfahren

Das Verwaltungsgericht Arnsberg nimmt in seinem Urteil vom 24. Januar 2023 (Az. 2 K 2991/22.A) die Aussetzung von Dublin-Aufnahmen und -Wiederaufnahmen in Italien seit Dezember 2022 zum Anlass, dem Land systemische Mängel im Asylverfahren zu attestieren. Italien habe die Aussetzung von Dublin-Überstellungen unter Berufung auf „technische Gründe“ und „fehlende Aufnahmekapazitäten“ und damit begründet, dass keine Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer zur Verfügung stünden. Selbst wenn eine Einreise nach Italien durchgeführt werden könnte, wären dort im Hinblick auf den Kläger die elementarsten Bedürfnisse aufgrund der fehlenden Aufnahmeeinrichtungen nicht gewährleistet.

Vertrauensperson braucht kein Vertrauensverhältnis

Eine Vertrauensperson im Freiheitsentziehungsverfahren muss nicht in einem Vertrauensverhältnis zu einer von Abschiebungshaft betroffenen Person stehen, meint der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 28. November 2022 (Az. XIII ZB 132/19). Vertrauensperson sei diejenige Person, um deren Beteiligung die von Abschiebungshaft betroffene Person bitte, weitergehende Voraussetzungen wie ein Näheverhältnis oder eine nachvollziehbar dargelegte persönliche Beziehung seien nicht erforderlich.

Erfolglose Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Anhörungsrüge

In seinem Beschluss vom 9. Januar 2023 (Az. 2 BvR 1217/19) hat das Bundesverfassungsgericht die Annahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung von Abschiebungshaft abgelehnt. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Ingolstadt dürfte zwar rechtswidrig sein, meint das BVerfG, weil das Landgericht einen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß begangen habe, die Beschwerdeführerin habe jedoch keine Anhörungsrüge gemäß § 44 FamFG erhoben und damit den Subsidiaritätsvoraussetzungen für eine Verfassungsbeschwerde nicht genügt.