Der Verwaltungsgerichtshof München hält in seinem Beschluss vom 26. Januar 2023 (Az. 6 AS 22.31155) die Frage für offen, ob ein in Deutschland gestellter Asylantrag nach vorheriger Durchführung eines Asylverfahrens in einem anderen EU-Staat (hier: Frankreich) als Zweitantrag gemäß § 71a AsylG behandelt werden darf. Diese Frage sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs bislang offen gelassen worden, von Dänemark einmal abgesehen. Der EuGH habe die Frage, ob der Begriff „Folgeantrag“ auf einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz anwendbar sei, der in einem Mitgliedstaat gestellt wird, nachdem ein anderer Mitgliedstaat als Dänemark einen früheren Antrag eine bestandskräftige Entscheidung abgelehnt hat, in seinem Urteil vom 20. Mai 2021 (Rs. C-8/20, L.R. gg. Bundesrepublik Deutschland) erneut ausdrücklich offen gelassen. Es bestünden daher ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassenen, auf § 71a AsylG gestützten Abschiebungsandrohung, so dass der VGH die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat. Außerdem hielt der VGH fest, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO wie hier auch dann Erfolg haben kann, wenn es keine veränderten Umstände gibt, nämlich weil das Gericht jederzeit von Amts wegen gemäß § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO verfahren kann.
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz meint in seinem Beschluss vom 19. Januar 2023 (Az. 13 A 10716/22.OVG), dass ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG auch dann als unzulässig abgelehnt werden darf, wenn eine Abschiebung des Schutzsuchenden zum Entscheidungszeitpunkt unmöglich und eine ergangene Abschiebungsanordnung deswegen aufgehoben worden ist. Zwar wolle die Dublin-III-Verordnung die Situation eines „refugee in orbit“ vermeiden, das in ihr vorgesehene strenge Fristenregime führe jedoch dazu, dass eine solche Situation im Ergebnis vermieden werde. Eine „redundante Absicherung“ der Vermeidung einer solchen Situation durch Entfall der Unzulässigkeitsentscheidung sei demgegenüber nicht vorgesehen und auch rechtlich nicht erforderlich.
In drei Entscheidungen vom 8. Februar 2023 (Az. 202207360/1, 202207400/1 und 202207496/1) hat die Abteilung für Verwaltungsgerichtsbarkeit des niederländischen Staatsrats (Raad van State), des höchsten Verwaltungsgerichts des Landes, die in den Niederlanden seit August 2022 in Kraft befindliche Einschränkung des Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen für unvereinbar mit niederländischem und europäischem Recht befunden. Bereits Ende letzten Jahres hatten mehrere niederländische Verwaltungsgerichte die Einschränkung, wonach ein Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen bei Fehlen einer eigenen Wohnung erst nach einer sechsmonatigen Wartezeit erfolgen durfte, für rechtswidrig gehalten. Der Staatsrat hat zu seinen Entscheidungen auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Aus einer rechtswidrigen Abschiebung entsteht nicht stets ein andauernder rechtswidriger Zustand, der jedoch Voraussetzung für einen verwaltungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch und damit für einen Anspruch auf Rückholung nach Deutschland bzw. Ermöglichung der Wiedereinreise nach Deutschland ist, meint das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 2. Februar 2023 (Az. 27 L 2817/22). Im entschiedenen Verfahren sei der Betroffene zwar rechtswidrig abgeschoben worden, weil das Verwaltungsgericht die Abschiebung zuvor untersagt hatte, es sei jedoch kein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden. Der Betroffene wäre bei einer Rückkehr nach Deutschland erneut ausreisepflichtig, weil bezüglich etwaiger zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse eine Bindung auch des Gerichts an die Feststellungen im vorhergegangenen Gerichtsverfahren bestehe, und ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, insbesondere eine fortdauernde Reiseunfähigkeit gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, vom Betroffenen nicht glaubhaft gemacht worden sei.
In einem Beschluss vom 7. November 2022 (Az. 1 B 66.22) hat das Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Verfahren verworfen, in dem es um die Anforderungen ging, die an die Gewährung von Flüchtlingsschutz bei Kriegsdienstverweigerung zu stellen sind. Die aufgeworfene Frage nach den Maßstäben für die Annahme einer starken Vermutung sei nicht entscheidungserheblich, weil die „starke Vermutung“ sich nur auf die Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund beziehe, nicht jedoch auch auf die Feststellung einer Verfolgungshandlung als solcher. In einem Beschluss vom 7. September 2022 (Az. 1 C 28.21) hat das BVerwG das Revisionsverfahren gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen bis zum Abschluss des am EuGH anhängigen Verfahrens zur Klärung der Folgen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen EU-Mitgliedstaat für das deutsche Asylverfahren ausgesetzt.