Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2023 (Az. 1 C 40.21) einen Anspruch von NGOs auf Zugang ihres Beratungspersonals und Zufahrt eines als Beratungsraum genutzten Busses zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende abgelehnt, wenn dort eine nicht zuvor angefragte Asylverfahrensberatung angeboten werden soll. § 12a AsylG sehe keinen von vorheriger Mandatierung unabhängigen Anspruch von Trägern der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen vor, auch aus einer bisherigen Verwaltungspraxis in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes oder aus dem Gebot der Gleichbehandlung mit anderen zugangsberechtigten Organisationen könne kein solcher Anspruch abgeleitet werden. Außerdem gewährten weder die EU-Asylverfahrensrichtlinie noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der EU-Aufnahmerichtlinie Rechtsberatern und entsprechenden Nichtregierungsorganisationen einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Beauftragung durch einen Asylsuchenden. Der Volltext des Urteils liegt noch nicht vor, das BVerwG hat aber am 28. März 2023 eine Pressemitteilung veröffentlicht.
In seinem Urteil vom 30 März 2023 (Rs. C-556/21) hält der Europäische Gerichtshof fest, dass die Dublin-III-Verordnung kein mehrinstanzliches Rechtsschutzsystem vorsieht, sondern lediglich eine Instanz zur Überprüfung einer Überstellungsentscheidung erfordert. Sofern in einem Mitgliedstaat ein mehrinstanzliches Rechtsschutzsystem existiere und eine Überstellungsentscheidung erstinstanzlich aufgehoben wurde, stehe die Möglichkeit, die Überstellung auch in zweiter Instanz durch gerichtliche Anordnung und bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung auszusetzen, mit der Dublin-III-Verordnung in Einklang.
Ein behördlicher oder gerichtlicher Rechtsbehelf gegen eine andere als die Überstellungsentscheidung, etwa gegen eine abschlägige Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen der Eigenschaft als Opfer des Menschenhandels, kann nicht als ein Rechtsbehelf oder eine Überprüfung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 oder 4 der Dublin‑III-Verordnung angesehen werden, meint der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. März 2023 (Rs. C-338/21). Ein solcher Rechtsbehelf könne zwar als Grundlage für eine Aussetzung der Durchführung einer Dublin-Überstellung herangezogen werden, dürfe aber nicht dazu führen, dass dadurch die Frist für die Überstellung ausgesetzt oder unterbrochen werde.
Das Verwaltungsgericht Aachen zeigt sich in seinem in einem Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 22. März 2023 (Az. 9 L 223/23.A) nicht erfreut über den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 16. März 2023 (Az. 11 A 252/23.A), in dem das OVG sich zu einigen Ausführungen über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit von Dublin-Überstellungen nach Italien veranlasst sah. Bei dem Beschluss des OVG, so das VG Aachen, handele es sich gar nicht um höchstrichterliche Rechtsprechung, die eine Abänderung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtfertigen würde. Das OVG habe sich auch keiner Rechtsauffassung ausdrücklich angeschlossen, sondern lediglich in einem konkreten Verfahren entschieden, so dass eine Aussage allgemeiner Natur dem Beschluss des OVG „seriöser Weise“ nicht entnommen werden könne, auch wenn der in der juris-Datenbank ergänzte Leitsatz anderes suggeriere. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass das OVG angesichts der nunmehr verstrichenen Zeit an der Durchführbarkeit der Abschiebung zweifele, würde dies nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen, weil dem vom OVG aufgegriffenen zeitlichen Aspekt bestenfalls eine untergeordnete Rolle zukomme. Dass es in den letzten Wochen augenscheinlich nicht zu Überstellungsversuchen gekommen sei, sei nach derzeitigem Sachstand nicht auf eine fehlende Übernahmebereitschaft Italiens, sondern lediglich auf die „möglicherweise überobligatorische“ Reaktion der deutschen Behörden auf die Rundschreiben aus Dezember 2022 zurückzuführen. Das Verwaltungsgericht bleibe daher „ebenso wie viele andere Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik Deutschland“ bei seiner Ansicht, dass die Überstellung der Antragsteller trotz der Rundschreiben der italienischen Behörden vom 5. und 7. Dezember 2022 möglich sei.
Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat in seinem Beschluss vom 22. März 2023 (Az. 3 A 46/23.A) die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil das Verwaltungsgericht bei der Entscheidungsfindung vorschriftswidrig besetzt war. Der Richter am Verwaltungsgericht sei befangen gewesen, was zur Zulassung der Berufung führe, obwohl in erster Instanz kein Befangenheitsantrag gestellt wurde, weil der Richter tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität habe vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erscheinen würde. Unter anderem habe der Richter den klagenden Schutzsuchenden darauf verwiesen, zum Nachweis seiner Identität bei der Botschaft seines Heimatlandes in Deutschland vorzusprechen, obwohl dies nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zum Erlöschen einer Asylanerkennung geführt hätte, und die Ausführungen des Klägers als „klägerische Story“ bezeichnet. Der Richter habe außerdem Behauptungen aufgestellt, die in der Akte und in den Aussagen des Klägers keine Grundlage fänden, was nur den Schluss auf eine aktenwidrige Überzeugungsbildung zuließe. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung lasse zudem nicht erkennen, dass das Gericht zur Klärung von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen Fragen gestellt habe. Dies lasse den Eindruck des Klägers berechtigt erscheinen, dass der Richter an einer Klärung von Glaubwürdigkeitszweifeln nicht interessiert gewesen sei, da er sich seine Überzeugung schon vorab gebildet habe und diese nicht mehr durch klärende Ausführungen in der mündlichen Verhandlung habe in Frage stellen lassen wollen.
Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hält in seinem Beschluss vom 6. Februar 2023 (Az. 2 M 111/22) den Zusatz „Personen mit ungeklärter Identität“ in einer gemäß § 60b AufenthG erteilten Duldung für konstitutiv für die Existenz einer Duldung gerade für eine Person mit ungeklärter Identität, so dass bei Fehlen eines solchen Zusatzes im Duldungsdokument nicht vom Vorliegen einer Duldung gemäß § 60b AufenthG auszugehen sein. Allein die Nennung der Rechtsgrundlage des § 60b AufenthG im Duldungsdokument sei nicht ausreichend für die Annahme, dass es sich um eine Duldung nach § 60b AufenthG handele, wenn nicht auch der Zusatz im Dokument vorhanden sei. Der Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ sei gesetzlich vorgegeben, Abkürzungen oder andere Formulierungen könnten daher nicht gewählt werden.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 23. März 2023 (Az. OVG 11 S 8/23) keine Zweifel daran, dass ein vietnamesischer Staatsangehöriger, der mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine gelebt hat und im März 2022 als Kriegsflüchtling ins Bundesgebiet eingereist ist, sicher und dauerhaft nach Vietnam zurückkehren kann. Dass nicht-ukrainische Staatsangehörige mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel für die Ukraine nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückkehren könnten, treffe weder generell noch regelmäßig für vietnamesische Staatsangehörige zu. Aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes ergebe sich, dass eine Rückkehr vietnamesischer Staatsangehöriger aus Deutschland in ihr Heimatland sowohl rechtlich als auch tatsächlich möglich sei und in den vergangenen Jahren unter Geltung eines zwischen der Bundesrepublik und Vietnam geschlossenen Reintegrationsabkommens auch in tausenden Fällen erfolgt sei.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 1. Februar 2023 (Az. 1 BvL 7/18) festgestellt, dass das in Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB geregelte Verbot der Kinderehe mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, weil der Gesetzgeber die Folgen der Unwirksamkeit einer Ehe nicht ausreichend geregelt habe. Die einzige existierende gesetzliche Folgenregelung, nämlich § 26 Abs. 1 S. 2 AsylG, wonach die Unwirksamkeit einer Kinderehe für die Flüchtlingsanerkennung ohne Bedeutung ist, ändere daran nichts.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 (Az. 21 K 5877/16) festgehalten, dass ein Anspruch der Ausländerbehörde auf Erstattung der Kosten einer Abschiebung gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG und § 67 Abs. 1 und 3 AufenthG nur besteht, wenn die Abschiebung rechtmäßig erfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hafte der Ausländer für die Kosten einer Abschiebung nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Folglich könnten nur die Kosten einer rechtmäßigen Abschiebung geltend gemacht werden, deren Rechtmäßigkeit aus der behördlichen Sicht bei ihrer Durchführung zu beurteilen sei. Im entschiedenen Verfahren hatte die Ausländerbehörde den Zielstaat der Abschiebung nicht durch Verwaltungsakt bestimmt, sondern lediglich die Abschiebung in den „Herkunftsstaat“ des Klägers angedroht, was das Verwaltungsgericht für nicht ausreichend hielt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist vor dem Bundesverwaltungsgericht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gescheitert (Beschluss vom 7. Februar 2023, Az. 1 B 58.22), bei der das BVerwG sich der Argumentation des BAMF nicht anschließen mochte, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe bei der Annahme einer Vorverfolgung eines syrischen Asylsuchenden gegen Denkgesetze verstoßen. In seinem Beschluss vom 21. Februar 2023 (Az. 1 B 76.22) über eine Nichtzulassungsbeschwerde der beklagten Ausländerbehörde hielt das BVerwG unter anderem die Frage, ob eine materiell-rechtliche Anlehnung oder Kongruenz hinsichtlich erneuter Straftaten in Bezug auf die der Ausweisung zugrundeliegenden Straftaten im Rahmen der Gefahrenprognose i. S. des § 53 Abs. 1 AufenthG unbedingt gegeben sein muss, in dem Verfahren für nicht entscheidungserheblich. Mit Beschluss vom 8. Februar 2023 (Az. 1 B 2.23) hat das BVerwG eine Nichtzulassungsbeschwerde eines Schutzsuchenden zurückgewiesen, der in den Vorinstanzen eine Gruppenverfolgung von homosexuellen Männern in Mexiko geltend gemacht hatte, in dem Nichtzulassungsverfahren ging es (nur) noch um die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots.