Keine Berufungszulassung trotz Gehörsverstoßes

Ein Antrag auf Zulassung der Berufung kann trotz eines Gehörverstoßes im Einzelfall ohne Erfolg bleiben, wenn der Verstoß ausnahmsweise mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleibt und sich auf das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auswirkt, meint der Verwaltungsgerichtshof München in seinem Beschluss vom 20. April 2023 (Az. 24 ZB 23.30078). Der VGH folgert dies aus einer analogen Anwendung von § 144 Abs. 4 VwGO, die allerdings nur ausnahmsweise in Betracht kommen solle, da andernfalls eine Entwertung der Verfahrensgarantien drohe. Gerechtfertigt sei die Anwendung der verfahrensökonomischen Zielsetzung des § 144 Abs. 4 VwGO jedoch, wenn der Verstoß mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleiben werde. Dies sei der Fall, wenn der Gehörsverstoß erstens nur einzelne Feststellungen und nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens betreffe und es zweitens auf diese Feststellungen für die Entscheidung und nach der dafür maßgeblichen Sachlage nicht oder nicht mehr ankomme. In dem entschiedenen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht aus Sicht des VGH eine rechtswidrige Überraschungsentscheidung getroffen, weil es das Ergebnis einer von ihm initiierten Prüfung, ob der dem Kläger in Rumänien gewährte internationale Schutz noch fortbestand oder nicht, nicht abgewartet habe.

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ISSN 2943-2871