Das Verwaltungsgericht Braunschweig geht in seinem sehr lesenswerten Urteil vom 8. Mai 2023 (Az. 2 A 269/22) davon aus, dass die Ausweisung von Asylsuchenden ohne individuelle Prüfung ihrer Asylanträge seit Jahren ein wesentlicher Bestandteil der Migrationssteuerung durch das kroatische Innenministerium sei, und dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass auch die Organe der Europäischen Union die ungeprüfte Ausweisung von Asylsuchenden durch die kroatischen Behörden billigten. Die tatsächlichen Erkenntnisse über den Umgang mit Asylsuchenden in Kroatien erschütterten somit das Vertrauen der EU-Mitgliedsstaaten, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in Kroatien in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention stehe.
Es sei außerdem nur dann gerechtfertigt, die Gruppe der Dublin-Rückkehrer von der Gruppe der sonstigen Asylsuchenden in Kroatien abzuspalten und als eigenständige Kategorie zu betrachten, wenn es dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder dem entscheidenden Gericht gelinge, positiv zu belegen, dass Dublin-Rückkehrern die Gefahren, denen sämtliche andere Asylbewerber in Kroatien ausgesetzt seien, nicht drohen. Angesichts der Masse der vorliegenden Erkenntnismittel, die Kroatiens mangelnde Bereitschaft zur Aufnahme oder auch nur zu einer menschenwürdigen Behandlung Geflüchteter belegen, sei nicht nachvollziehbar, wie etwa das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 (Az. 10 LA 12/23) zu der Einschätzung komme, es lägen „unzureichende tatsächliche Erkenntnisse“ dafür vor, dass Dublin-Rückkehrer in Kroatien der Gefahr von Ketten-Abschiebungen ausgesetzt seien und das Asylsystem in Kroatien aus diesem Grund unter systemischen Mängeln leide.
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