In seinem Beschluss vom 2. November 2023 (Az. 2 BvR 441/23) hat sich das Bundesverfassungsgericht dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen es einem Ausländer zuzumuten ist, Deutschland zur Durchführung eines Visumverfahrens in seinem Heimatland zu verlassen und damit eine wenigstens vorübergehende Trennung von seinen hier aufenthaltsberechtigten Kindern hinzunehmen. Das Verwaltungsgericht Würzburg und der Verwaltungsgerichtshof München hielten eine solche vorübergehende Trennung im entschiedenen Verfahren für zumutbar, das Bundesverfassungsgericht sah in der von diesen Gerichten vorgenommenen Rechtsauslegung einen zweifachen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (Schutz von Ehe und Familie, Elternrecht).
Zum einen hätten die Fachgerichte schon nicht dargelegt, warum die Nachholung des Visumverfahrens für einen Familiennachzug gerade erforderlich gewesen sein solle. Im entschiedenen Verfahren hätte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG im Raum gestanden, für die das Visumerfordernis nicht gelte. Insoweit hätte es näherer Erläuterung bedurft, ob und weshalb es gleichwohl im Lichte des Art. 6 Absätze 1 und 2 GG notwendig gewesen sei, den Beschwerdeführer auf das Visumverfahren für den von ihm begehrtem Familiennachzug zu verweisen.
Zum anderen hätten beide Fachgerichte nicht auf Grundlage einer tragfähigen Prognose entschieden, dass die Verweisung des Beschwerdeführers auf die Nachholung des Visumverfahrens vom Ausland aus eine lediglich vorübergehende und keine dauerhafte Trennung für den Beschwerdeführer und seine Kinder zur Folge haben werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe lediglich ausgeführt, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis „in Betracht“ komme, weil die Ausländerbehörde vom Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgehe. Dies genüge nicht, zumal nicht die Ausländerbehörde über die Erteilung des Visums zu entscheiden habe, sondern die Auslandsvertretung. Ob der Verwaltungsgerichtshof selbst vom Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte ausgehe, lasse sich seinem Beschluss nicht eindeutig entnehmen, es sei mangels näherer Subsumtion auch nicht erkennbar, worauf der Verwaltungsgerichtshof diese Annahme stützen würde. Infolgedessen begründe der Verwaltungsgerichtshof auch nicht hinreichend, weshalb die allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehen werde, und fehle es im Hinblick auf das Wohnraumerfordernis an einer hinreichenden Begründung der Annahme, dass „nicht zwingend“ davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer seine derzeitige Wohnung aus finanziellen Gründen aufgeben müsse.
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