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Unerlaubtes Fernbleiben

Ein über dreizehn Jahre laufendes Asylverfahren eines US-amerikanischen Wehrdienstverweigerers ist voraussichtlich beendet, es gibt keine Gruppenverfolgung von kurdischen Sunniten im Irak, ein Visum hätte schriftlich beantragt werden können und der Europäische Gerichtshof wird zur Auslegung der EU-Richtlinie 2003/109/EG angerufen. Außerdem in dieser Ausgabe: die Verhältnismäßigkeit einer ärztlichen Untersuchung, der Eintritt einer Duldungsfiktion und ein Ausweisungsinteresse wegen Verstoßes gegen die Passpflicht.

  • US-amerikanischer Wehrdienstverweigerer scheitert vor Gericht

    Nach fast fünf Jahren hat der Verwaltungsgerichtshof München mit Beschluss vom 17. Januar 2022 (Az. 21 ZB 17.30616) den Antrag auf Zulassung der Berufung im Asylverfahren des US-amerikanischen Wehrdienstverweigerers Andre Shepherd abgelehnt. In dem Verfahren, das mit dem Asylantrag Shepherds im Jahr 2008 seinen Anfang nahm, war bereits der Europäische Gerichtshof involviert, der mit Urteil vom 26. Februar 2015 (Rs. C-472/13) Art. 9 Abs. 2 der (alten) EU-Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ausgelegt hatte; das Verwaltungsgericht München hatte Shepherds Klage danach mit Urteil vom 16. November 2016 (Az. M 25 K 15.31291) in erster Instanz abgewiesen. Das Verwaltungsgericht, so der VGH, habe sich ausreichend mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt und das Urteil nicht verspätet abgefasst, außerdem sei die vom Kläger aufgeworfene Frage, auf welche militärische Einheit es bei der Beurteilung der Völkerrechtswidrigkeit eines militärischen Einsatzes ankomme, bereits durch den EuGH geklärt worden.

  • Keine Gruppenverfolgung von kurdischen Sunniten im Irak

    Irakische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens und kurdischer Volkszugehörigkeit müssen aktuell im Irak nicht mit einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit einer Gruppenverfolgung im Sinne von § 3 AsylG rechnen, so das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Beschluss vom 27. Januar 2022 (Az. 9 LA 29/20). Insbesondere sei, so das OVG, die (Unter-)Gruppe der „männlichen Personen, sunnitischer Religionszugehörigkeit, kurdischer Volkszugehörigkeit, aus der Provinz Al-Anbar stammend“ keine eigene soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, weil ihr eine deutlich abgegrenzte Identität fehle. Dass diese Region besonders vom Bürgerkrieg im Irak betroffen gewesen sei und lange Zeit unter der Kontrolle und Macht des IS gestanden habe, so dass in den Augen der schiitischen Milizen die Bevölkerung aus diesen Orten als Anhänger oder Sympathisant des IS betrachtet werde, führe nicht zu einer deutlich abgegrenzten Identität der männlichen kurdischen Sunniten, die speziell aus dieser Region stammen.

  • Terminregistrierung ist kein Visumantrag

    Mit Beschluss vom 25. Januar 2022 (Az. 3 S 87/21) hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg festgehalten, dass die Online-Registrierung eines Terminwunsches bei einer deutschen Botschaft im Ausland nicht als Visumantrag ausgelegt werden könne. Die Auslandsvertretung habe die Terminregistrierung nicht als Antrag verstehen können, weil dabei nicht alle für eine Antragstellung erforderlichen Informationen übermittelt wurden, die laut dem Visumhandbuch des Auswärtigen Amts erforderlich seien. Die lange Wartezeit nach der Terminregistrierung sei unbeachtlich, weil es möglich gewesen wäre, die grundsätzlich nicht formgebundene Visumbeantragung jenseits einer persönlichen Vorsprache geltend zu machen, nämlich schriftlich bei der deutschen Botschaft. Der Zeitpunkt eines Visumantrags ist, wie im entschiedenen Fall, beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten (§ 36a AufenthG) vor allem wegen des Erfordernisses der Minderjährigkeit zu diesem Zeitpunkt relevant.

  • Weiterwanderung langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger

    Mit Beschluss vom 27. Januar 2022 (Az. 3 A 709/16) hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel dem Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der EU-Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen übermittelt. Der VGH fragt insbesondere, ob die Vorschrift des § 38a Abs. 1 AufenthG, wonach ein weiterwandernder langfristig Aufenthaltsberechtigter auch im Zeitpunkt der Verlängerung seines Aufenthaltstitels die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem ersten Mitgliedstaat innehaben muss, mit der Richtlinie vereinbar ist.

  • Ärztliche Untersuchung in der Ausländerbehörde muss erforderlich sein

    Vor Anordnung des persönlichen Erscheinens in einer Ausländerbehörde nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zum Zwecke einer ärztlichen Untersuchung habe die Behörde stets sorgfältig zu prüfen, ob dies zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen nach ausländerrechtlichen Regelungen erforderlich sei, so das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in seinem Beschluss vom 21. Januar 2022 (Az. 2 M 162/21), vor allem vor dem Hintergrund, dass § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht verlange, dass eine ärztliche Untersuchung in der Ausländerbehörde stattzufinden habe. Im entschiedenen Fall war die Ausländerbehörde mit einem von der betroffenen Ausländerin eingeholten ärztlichen Gutachten, das ihre Reiseunfähigkeit feststellte, nicht einverstanden und wollte eine erneute Begutachtung in den Räumlichkeiten der Behörde anordnen, das OVG hielt dies für unzumutbar und rechtswidrig.

  • Duldungsfiktion tritt nur einmal ein

    Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat mit Beschluss vom 20. Januar 2022 (Az. 11 S 2757/20) entschieden, dass die Duldungsfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nur im Falle des erstmaligen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an einen legalen titelfreien Aufenthalt eintritt. Wurde ein Antrag zwischenzeitlich abgelehnt und beantrage der Ausländer nunmehr erneut die Erteilung eines Aufenthaltstitels, komme er nicht mehr in den Genuss der Wirkungen des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG; dies gelte auch dann, wenn ein anderer Aufenthaltstitel beantragt werde.

  • Ausweisungsinteresse wegen Verstoßes gegen die Passpflicht

    Mit Beschluss vom 7. Januar 2022 (Az. 2 M 137/21) hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg entschieden, dass dem Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht entgegengehalten werden könne, dass sich eine allein auf die Passlosigkeit des Ausländers gestützte Ausweisung als unverhältnismäßig erweisen werde. Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG komme es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte.

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ISSN 2943-2871