Das Verwaltungsgericht Münster berichtet in einer Pressemitteilung vom 14. Juni 2024 über seinen noch nicht im Volltext vorliegenden Beschluss vom 12. Juni 2024 (Az. 8 L 284/24), in dem es den Eilantrag einer Ausländerin gegen die Rücknahme ihrer Chancen-Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat. Die Betroffene hatte in ihrem WhatsApp-Status verschiedene antisemitische Bilder veröffentlicht, die zuständige Ausländerbehörde fand, dass sie dadurch eine antisemitische Grundeinstellung deutlich gemacht habe, die dem von ihr im Zuge der Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts gemäß § 104c Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abgegebenen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehe. Nach dem Verhalten der Betroffenen sei davon auszugehen, so dann auch das Verwaltungsgericht, dass ihr Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung inhaltlich nicht zutreffe, sondern es sich offensichtlich um ein bloßes Lippenbekenntnis gehandelt habe, und dass sie sich entgegen der von ihr abgegebenen Erklärung eben nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne.
Ein Verwaltungsakt wie die Erteilung eines Chancen-Aufenthaltsrechts kann gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 48 VwVfG zurückgenommen werden, wenn er rechtswidrig ist, das soll hier anscheinend der Fall sein, wenn spätere Äußerungen eines Ausländers darauf hindeuten, dass der Ausländer zu einem früheren Zeitpunkt ein inhaltlich unrichtiges Bekenntnis abgegeben hat. Ob so ein Bekenntnis also faktisch eine Art (unbefristete?) Wohlverhaltenspflicht auslöst, ist eine interessante Frage: Die Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum Staatsangehörigkeitsgesetz (Stand 1. Juni 2015, S. 16) stellen im Kontext einer Einbürgerung für das dort abzugebende Bekenntnis lediglich auf „Vergangenheit und Gegenwart“ ab, ohne eine mögliche Rückwirkung späterer Äußerungen zu thematisieren, die Begründung zum Anfang 2024 verabschiedeten Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (BT-Drs. 20/10093 vom 17. Januar 2024, S. 11) scheint es anders zu sehen und hält sogar die Rücknahme einer Einbürgerung zehn Jahre lang für möglich, auch wenn das im Gesetzestext keinen unmittelbaren Eingang gefunden hat.
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