Die überlange Dauer eines Beschwerdeverfahrens gegen die Anordnung von Sicherungshaft verstößt gegen das Beschleunigungsgebot und verletzt das Grundrecht Betroffener auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. April 2024 (Az. XII IZB 7/22). In dem Verfahren hatte das Beschwerdegericht angenommen, dass das Beschleunigungsgebot nur für am Verfahren beteiligte Behörden gelte, nicht aber auch für die mit der Haftanordnung und Haftprüfung befassten Gerichte. Das sah der BGH anders, weil die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der (deutschen) Grundrechte heranzuziehen seien. Art. 5 Abs. 4 EMRK schreibe vor, dass bei einer Freiheitsentziehung ein Gericht auf Antrag der betroffenen Person „innerhalb kurzer Frist“ über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheiden müsse; das gelte auch für eine Rechtsmittelinstanz. In Rechtsmittelverfahren wie dem deutschen Haftbeschwerdeverfahren seien nach der Rechtsprechung des EGMR allerdings (erst) Verzögerungen von mehr als drei bis vier Wochen geeignet, die Frage nach einer Verletzung des Erfordernisses einer Entscheidung „innerhalb kurzer Frist“ aufzuwerfen. In seinem Leitsatz zu dieser Entscheidung spricht der BGH übrigens vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) statt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Auslegung der EMRK heranzuziehen sei, das ist vermutlich (hoffentlich) ein redaktionelles Versehen.
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