Kein Rechtsschutzbedürfnis in Italien-Fällen

Die isolierte Aufhebung einer Abschiebungsanordnung in Dublin-Fällen, in denen die Zuständigkeit Italiens feststeht, die tatsächliche Durchführbarkeit der Dublin-Überstellung aber zweifelhaft ist, würde den Betroffenen nichts nützen, sondern vielmehr die Gefahr einer Verfestigung eines „refugee in orbit“-Szenarios mit sich bringen, meint das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 9. September 2024 (Az. M 10 K 24.50768). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge könnte sich nämlich auf den Standpunkt zurückziehen, dass die Unzulässigkeitsentscheidung als solche gerichtlich bestätigt worden sei, während infolge der Aufhebung der Abschiebungsanordnung keine vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen mehr bestünde, was zugleich den Anlauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO hemmen würde. Betroffene wären darum von einer objektiven Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung konkret nicht beschwert und hätten wohl kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des sonst bestehenden gerichtlichen Aufhebungsanspruchs, weil die Aufhebung der Abschiebungsanordnung mit einer wenigstens vorübergehenden Verschlechterung ihrer Rechtsstellung einherginge. Vielmehr wäre bei Annahme eines für die Dauer der Überstellungsfrist vorliegenden tatsächlichen Überstellungshindernisses die Aufrechterhaltung der Abschiebungsanordnung der einzige Weg, den Zuständigkeitsübergang gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ohne wesentliche Verzögerungen herbeizuführen.

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ISSN 2943-2871