Mitgliedstaaten dürfen es nicht als Beihilfe zur unerlaubten Einreise unter Strafe stellen, wenn Schutzsuchende gemeinsam mit ihrer Obhut unterstehenden Kindern unerlaubt einreisen, sagt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Juni 2025 (Rs. C-460/23). Eine gegenteilige Auslegung würde zu einem besonders schweren Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens und in die Grundrechte des Kindes führen, die in den Art. 7 und 24 GRCh verankert seien; der Eingriff ginge so weit, dass der Wesensgehalt dieser Grundrechte verletzt würde. Das gemäß Art. 18 GRCh geschützte Recht auf Asyl wäre ebenso verletzt, wenn Mitgliedstaaten eine unerlaubte Einreise unter Verstoß gegen Art. 31 GFK strafrechtlich verfolgen würden, und weil Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten, grundsätzlich nicht als illegal aufhältig angesehen werden könnten, solange über ihren Antrag nicht erstinstanzlich entschieden wurde, und auch keine strafrechtlichen Sanktionen gegen sie verhängt werden könnten. Der Gerichtshof hat zu seinem Urteil auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Die spannende Frage nach diesem Urteil ist, in welchem Umfang die Erwägungen des Gerichtshofs zur Ausstrahlungswirkung gerade von Art. 18 GRCh auf weitere Szenarien angewendet werden können, in denen die unerlaubte Einreise von Schutzsuchenden in EU-Staaten derzeit strafrechtlich verfolgt wird. Zu denken ist dabei nicht nur an die griechische Praxis der Strafverfolgung nach unerlaubter Einreise, sondern etwa auch an den derzeit in den EU-Institutionen verhandelten Vorschlag der Europäischen Kommission von 2023 für eine Neufassung der EU-Richtlinie zur Verhinderung und Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt in der Union.
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