Afghanistan-Aufnahmezusagen dürfen (manchmal) widerrufen werden

Nach Bekanntwerden eines Ausschlussgrundes in einer Sicherheitsbefragung darf die einem afghanischen Staatsangehörigen gegenüber abgegebene Aufnahmezusage widerrufen werden, wenn ein solcher Widerruf in der Aufnahmezusage vorbehalten war, sagt der Verwaltungsgerichtshof München in zwei Beschlüssen vom 27. Juni 2025 (Az. 19 CE 25.965 und 19 CE 25.966). In den Aufnahmeanordnungen seien Ausschlussgründe geregelt, bei deren Vorliegen der Ausschluss aus dem begünstigten Personenkreis aufgrund einer Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin erfolgen dürfe. Auch aus den von den Antragstellern zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsbindung auswärtigen Handelns der Bundesregierung folge nichts anderes, weil aufgrund des weiten außenpolitischen Ermessens der Bundesregierung eine Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht in Fällen mit Auslandsbezug nur festgestellt werden könne, wenn das zuständige Organ gänzlich untätig geblieben sei oder die getroffenen Maßnahmen offensichtlich völlig ungeeignet oder unzulänglich seien, was hier nicht ersichtlich sei. Die Antragsteller hätten falsche Angaben zu ihrem Wehrdienst in der afghanischen Armee in den Jahren 1982 bis 1984 gemacht (Verfahren 19 CE 25.965) bzw. Haftstrafen für außerehelichen Sexualverkehr gefordert (Verfahren 19 CE 25.966).

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 2025 (Az. 2 BvR 508/21) zum Ausmaß und den Grenzen einer grundrechtlichen Schutzpflicht der Bundesrepublik in Sachverhalten mit Auslandsbezug war im Zeitpunkt der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs leider noch nicht ergangen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil festgehalten, dass eine grundrechtliche Verantwortung der Bundesrepublik in Sachverhalten mit Auslandsbezug möglich ist, wenn ein hinreichender Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland vorliegt und eine ernsthafte Gefahr der systematischen Verletzung des anwendbaren Völkerrechts besteht. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof nur festgestellt, dass die Bundesrepublik bereits im Rahmen verschiedener Aufnahmeprogramme einen erheblichen internationalen Beitrag zur Aufnahme von Personengruppen leiste, welche durch das Talibanregime in Afghanistan bedroht seien.

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ISSN 2943-2871