In seinem Beschluss vom 1. Oktober 2025 (Az. L 4 AY 5/25 B ER) geht das Landessozialgericht Darmstadt davon aus, dass die Anwendung des Leistungsausschlusses in Dublin-Fällen gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG nach derzeitiger Rechtslage eigentlich immer rechtswidrig ist. Im entschiedenen Verfahren habe es bereits an der erforderlichen gesonderten Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gefehlt, weil der im Bescheid des Bundesamts enthaltene bloße Hinweis, dass der Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses eröffnet sei, nicht genügen dürfte. Zudem sei der Verweis auf die in § 1 Abs. 4 AsylbLG vorausgesetzte Ausreisemöglichkeit so auszulegen, dass eine Möglichkeit zur freiwilligen selbstinitiierten Ausreise vorhanden sein müsse, was aber im Rahmen des Dublin-Verfahrens in der Regel eben nicht der Fall sei. Nach der gegenwärtig noch geltenden Fassung der Aufnahme-Richtlinie 2013/33/EU in Verbindung mit der Dublin-III-VO seien in Dublin-Verfahren außerdem weder eine Leistungseinschränkung noch ein Leistungsausschluss vorgesehen und müsse der Aufenthaltsstaat die in der Aufnahme-Richtlinie vorgesehenen Leistungen nach Auffassung des Bundessozialgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zeitlich bis zur tatsächlichen Überstellung der Betroffenen erbringen. Die bereits beschlossene Neufassung der Aufnahme-RL durch die RL 2024/1346/EU könne für die Auslegung des deutschen Rechts derzeit keine Vorwirkungen zu Lasten der Betroffenen entfalten.
Mit dieser Entscheidung hat sich ein weiteres Landessozialgericht den sehr zahlreichen Stimmen angeschlossen, die § 1 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG für im Ergebnis europarechts- und verfassungswidrig halten. Der Beschluss ist auch deshalb lesenwert, weil er die, mit Verlaub, hanebüchene (und erfolglose) Argumentation der beklagten Leistungsbehörde ausführlich wiedergibt: Da wird etwa allen Ernstes vorgetragen, dass das „bereits jetzt schlecht funktionierende“ Dublin-System „in sich zusammenfallen“ würde, wenn die Vorschrift des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG nicht existieren würde, und dass es beim darin geregelten Leistungsausschluss um das konkrete „leistungsrechtliche Flankieren“ einer auf die Dublin-III-Verordnung gestützten Ausreisepflicht gehe, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
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