Afghanistan-Rückkehrgefährdung ohne familiäre Netzwerke?

Ist es Regelfall oder Ausnahme, dass „leistungsfähige erwachsene Rückkehrer“ nach Afghanistan dort über ein tragfähiges soziales oder familiäres Netzwerk verfügen, und welche Folgen hat die Beantwortung dieser Frage in die eine oder andere Richtung für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses? Das hat sich das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2025 (Az. 3 L 116/25.Z) gefragt und diese Fragen mit einem Rundgang durch aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung beantwortet. Während das Oberverwaltungsgericht Greifswald davon ausgehe, dass ein solches Netzwerk im Regelfall existiere, was gegen die Annahme eines Abschiebungsverbots nach Art. 3 EMRK spreche, sehe der Verwaltungsgerichtshof Mannheim es anders und solle ein solches Netzwerk im Regelfall nicht bestehen, was dann für eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK spreche. Ähnlich sehe es das Oberverwaltungsgericht Bautzen. Wenn vor diesem Hintergrund in einem Antrag auf Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache die Frage der Rückkehrgefährdung „leistungsfähiger erwachsener Rückkehrer“ gestellt werde, ohne das Vorhandensein eines familiären Netzwerks unmittelbar in die Fragestellung einzubeziehen, und wenn das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts von der Existenz eines solchen Netzwerks ausgegangen sei, dann sei die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt, letztlich weil die Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus Sicht des Gerichts nicht präzise genug herausgearbeitet wurde. Soweit das Gericht selbst auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein sozialer oder familiärer Netzwerke abstellt, scheint diese Differenzierung anderswo schon nicht mehr vorgenommen zu werden, siehe etwa das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald aus dem Juni 2025 (dort Rn. 228), in dem statt auf solche Netzwerke auf Rückkehrhilfen, Reintegrationsprogramme sowie auf die humanitären Bedingungen in Afghanistan abgestellt wurde (allgemein zu diesem Greifswalder Urteil siehe hier).

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ISSN 2943-2871