Ungeklärte Reichweite einer ausländischen Flüchtlingsanerkennung

Der Verwaltungsgerichtshof München hält in seinem Beschluss vom 17. März 2025 (Az. 5 ZB 24.30431) die Frage für ungeklärt und grundsätzlich bedeutsam, ob eine Flüchtlingsanerkennung durch einen anderen EU-Mitgliedstaat auch dann ein Abschiebungsverbot für den Herkunftsstaat des Flüchtlings nach § 60 Abs. 1 S. 2 AufenthG begründet, wenn eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ausgeschlossen ist und daher eine volle Sachprüfung erfolgt, und will diese Frage in einem Berufungsverfahren klären. Sofern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus europarechtlichen Gründen für eine teleologische Reduktion der Norm plädiere, sei für das Gericht jedenfalls bislang nicht ohne weiteres ersichtlich, inwiefern eine nationale Verpflichtung zur wegen § 60 Abs. 10 S. 2 AufenthG erforderlichen sogenannten „negativen Staatenbezeichnung“ gegen europarechtliche Garantien verstoßen solle. Umgekehrt stelle sich nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2024 (Rs. C-352/22) die Frage, ob die vom Verwaltungsgericht und weiterer erstinstanzlicher Rechtsprechung vor allem mit Erwägungen des nationalen Gesetzgebers begründete teleologische Reduktion des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht europarechtlich unzulässig sei.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871