Anforderungen an die Ausweisung faktischer Inländer

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat am 15. Dezember 2021 in ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK in zwei Verfahren (2 LC 269/21 und 2 LB 379/21) über die Ausweisung straffällig gewordener Ausländer entschieden, die als faktische Inländer in Deutschland leben. Dabei wendete das OVG in beiden Verfahren den Begriff des „sehr gewichtigen“ Ausweisungsgrunds an, der nicht identisch mit dem Begriff des „besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses“ nach § 54 Abs. 1 AufenthG sei, sondern praktisch autonom ausgelegt und angewendet werden müsse, wobei es auf Schwere und Anzahl der begangenen Straftaten sowie auf die Gefahr der zukünftigen Begehung ähnlich schwerwiegender bzw. ähnlich häufiger Straftaten ankäme. Nach diesem Maßstab hielt das OVG die Ausweisung in einem der entschiedenen Verfahren (Az. 2 LB 379/21), in dem zahlreiche Diebstähle in einem besonders schweren Fall sowie Betrugsstraftaten begangen worden waren, für rechtmäßig, während es die Ausweisung in dem anderen Verfahren (Az. 2 LC 269/21), in dem es um zahlreiche Fälle von Ladendiebstahl ging, für rechtswidrig erachtete.

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ISSN 2943-2871