Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen präzisiert in seinem lesenswerten Urteil vom 22. Mai 2023 (Az. 15a K 2809/21.A) die Anforderungen an die Annahme einer geschlechtsspezifischen Verfolgung im Rahmen von § 3b Abs. 1 Nr. 4 Hs. 4 AsylG, d.h. bei der Prüfung, ob eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe vorliegt, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft. Diese Bestimmung konkretisiere als lex specialis die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG grundsätzlich definierten drei notwendigen Bedingungen für die Annahme einer flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgung, nämlich Verfolgungshandlung, Verfolgungsgrund und Verknüpfung für Fälle geschlechtsspezifischer Verfolgung dahingehend, dass Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund nicht getrennt voneinander zu prüfen seien. Der Gesetzgeber habe die flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit oder der geschlechtlichen Identität der Verfolgten allein wegen des in ihr gleichsam erfüllten Verfolgungsgrundes für eine Flüchtlingsanerkennung ausreichen lassen wollen; dies sei auch mit Europarecht vereinbar.
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