Eine, mit Verlaub, etwas fragwürdige Rechtsansicht vertritt das Verwaltungsgericht Kassel in seinem Beschluss vom 19. Januar 2024 (Az. 7 L 30/24.KS.A), wenn es annimmt, dass eine Person auch dann im Sinne von Art. 29 Dublin-III-Verordnung „flüchtig“ sein kann, und sich die Dublin-Überstellungsfrist entsprechend verlängert, wenn die Person bei einem Überstellungsversuch angetroffen wird.
Das soll nämlich dann der Fall sein können, wenn gleichzeitig Familienangehörige dieser Person nicht angetroffen werden, weil die antroffenen Familienmitglieder sich die Abwesenheit der anderen Familienmitglieder zurechnen lassen müssten. Das Verwaltungsgericht übersieht nicht die argumentativen Schwierigkeiten bei der Begründung dieses Denkansatzes, wenn es darauf hinweist, dass gemäß Art. 29 Dublin-III-Verordnung gerade „die betreffende Person“ flüchtig sein muss, und dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. März 2019 (Rs. C-163/17, Jawo) verlangt, dass eine Person sich einer Überstellung „gezielt entziehen“ muss, um als flüchtig zu gelten. Gleichwohl folge aus dem schützenswerten Grundsatz der Familieneinheit, dass auch dann, wenn nur einige Familienmitglieder flüchtig seien, die Überstellungsfristen für alle Familienmitglieder verlängert werden müssten.
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