Bundesverfassungsgericht rügt unsubstantiierte Dublin-Verfassungsbeschwerde

In einem Beschluss vom 1. April 2025 (Az. 2 BvR 1425/24) hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, in der sich ein in Griechenland anerkannter Flüchtling gegen eine verwaltungsgerichtliche Eilentscheidung gewandt hatte, die die Ablehnung seines in Deutschland gestellten Asylantrags als unzulässig und die Androhung seiner Abschiebung nach Griechenland für rechtmäßig hielt und Eilrechtsschutz nicht gewährte. Der Beschwerdeführer habe, so das Bundesverfassungsgericht, bereits zwei Erkenntnismittel nicht vorgelegt und auch sonst einen möglichen Grundrechtsverstoß durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht substantiiert vorgetragen. Um dabei einigen Missverständnissen vorzubeugen, die in Medienberichten (etwa hier) suggeriert werden: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht entschieden, dass Schwarzarbeit in Griechenland eine zumutbare Erwerbssicherung ist, und auch nicht, dass drohende Obdachlosigkeit verfassungs- oder menschenrechtlich unbedenklich wäre, sondern nur, dass die Verfassungsbeschwerde zu beiden Fragen nicht ausreichend vorgetragen hat.

So kleinteilig die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an der Verfassungsbeschwerde auch wirkt, so hilfreich ist sie möglicherweise, um daraus zwei (nicht wirklich neue) Lehren für die Formulierung von Verfassungsbeschwerden zu ziehen: (1) Es müssen alle relevanten Dokumente vorgelegt oder inhaltlich wiedergegeben werden, deren Kenntnis für die Einschätzung erforderlich ist, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann. Das gilt auch für öffentlich zugängliche Quellen, und das gilt insbesondere für Erkenntnismittel, die in der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung herangezogen wurden. In dem Verfahren hatte der Beschwerdeführer u.a. einen (öffentlich zugänglichen) UNHCR-Bericht nicht vorgelegt, was das Bundesverfassungsgericht rügte. (2) Es muss präzise und stringent argumentiert werden, dass, und warum, die angegriffene verwaltungsgerichtliche Entscheidung unions- oder verfassungswidrig ist. So hatte der Beschwerdeführer etwa argumentiert, dass Begriff und Zumutbarkeit von Schwarzarbeit in der Fachgerichtsbarkeit ungeklärt seien, woraus er offene Erfolgsaussichten seiner Klage ableitete und eine Verletzung des Gebot effektiven Rechtsschutzes geltend machte. Das Bundesverfassungsgericht verwies dazu nur knapp auf bestehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Beschwerdeführer nicht angegriffen habe und deren Unions- oder Verfassungswidrigkeit darum nicht vorgetragen worden sei.

Das Gericht informiert in einer Pressemitteilung über seine Entscheidung.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871