Dublin/Italien: Überstellungen weiterhin möglich

Das Verwaltungsgericht Aachen nimmt in seinem Beschluss vom 18. Januar 2023 (Az. 9 L 22/23.A) an, dass Dublin-Überstellungen nach Italien weiterhin möglich sind und deswegen kein vorläufiger Rechtsschutz gegen entsprechende Dublin-Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Betracht kommt. Die italienischen Behörden gingen trotz der in ihren Rundschreiben kommunizierten temporäre Aussetzung von Überstellungen nicht von einem echten Übernahmestopp aus, dies zeige sich etwa darin, dass die italienischen Behörden auch nach dem 6. Dezember 2022 in mehreren Fällen einer Dublin-Übernahme ausdrücklich zugestimmt hätten. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass nach solchen ausdrücklichen Zustimmungen Überstellungen faktisch nicht akzeptiert werden würden.

Auf einer ähnlichen Linie (alle Entscheidungen nur bei juris verfügbar) bewegen sich die Verwaltungsgerichte Köln (Beschluss vom 5. Januar 2023, Az. 11 L 23/23.A), Göttingen (Beschluss vom 6. Januar 2023, Az. 1 B 170/22), Augsburg (Beschluss vom 20. Januar 2023, Az. Au 8 S 23.50020), München (Beschluss vom 27. Januar 2023, Az. M 10 S 22.50577), Regensburg (Urteil vom 27. Januar 2023, Az. RN 15 K 22.50498), Gießen (Beschluss vom 4. Februar 2023, Az. 2 L 214/23.GI.A), Karlsruhe (Beschluss vom 16. Februar 2023, Az. A 5 K 334/23), Ansbach (Beschluss vom 21. Februar 2023, Az. AN 14 S 22.50369) und Lüneburg (Beschluss vom 23. Februar 2023, Az. 5 B 11/23), die von lediglich temporären Vollzugshindernissen ausgehen und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt haben, unter anderem mit den Erwägungen, Italien habe in seinen Rundschreiben, die lediglich als Bitte zu verstehen seien, seine grundsätzliche Aufnahmebereitschaft gerade bekräftigt, der Begriff des „Feststehens“ in § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG meine lediglich ein relatives Feststehen in dem Sinne, dass die Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Überstellungsfrist von sechs Monaten mit großer bzw. ausreichender Wahrscheinlichkeit durchgeführt werden könne, und die Betroffenen seien durch das Weiterlaufen der Überstellungsfrist und den Übergang der Dublin-Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nach Ablauf der Frist ohnehin ausreichend geschützt.

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ISSN 2943-2871