Mit einer so ungewöhnlichen wie reizvollen Interpretation der Voraussetzungen des Familienschutzes für Ehegatten wartet das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 9. Februar 2024 (Az. 38 K 86/20 A) auf. Familienschutz für Ehegatten gemäß § 26 AsylG setzt an sich voraus, dass die Ehe mit dem Stammberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Stammberechtigte „verfolgt wird“ bzw. in dem ein ernsthafter Schaden droht.
Familienschutz sei aber, so das Verwaltungsgericht, akzessorisch zum internationalen Schutz des stammberechtigten Familienmitglieds, für das Voraussetzung für eine Schutzgewähr wiederum nicht nur die im Herkunftsstaat drohende Verfolgung bzw. der dort drohende ernsthafte Schaden sei, sondern gemäß § 27 AsylG auch, dass das stammberechtigte Familienmitglied keine anderweitige Sicherheit vor Verfolgung bzw. vor dem drohenden ernsthaften Schaden in einem anderen Staat gefunden habe. Diese „Staaten der fehlenden Sicherheit“ müssten aufgrund der Akzessorietät des Familienschutzes mit in § 26 AsylG hineingelesen werden; dem Ehegatten eines Schutzberechtigten sei daher die Flüchtlingseigenschaft auch dann zuzuerkennen, wenn die Ehe mit dem Schutzberechtigten (nur) in dem Staat bestanden habe, in dem der Schutzberechtigte sich aufgehalten habe, ohne dort gemäß § 27 AsylG Sicherheit vor Verfolgung gefunden zu haben.
Eingekleidet war das Verfahren übrigens in eine etwas unübersichtliche Konstellation, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Klägerin zunächst irrtümlich Flüchtlingsschutz aus eigenem Recht zuerkannt hatte, weil es davon ausgegangen war, dass sie aus einem anderen Staat als von ihr angegeben stammte. Ein Widerruf dieser Anerkennung scheide im Prinzip aus, so das Verwaltungsgericht, weil § 73 AsylG einen Widerruf nicht ermögliche, wenn wie hier ein bloßer Behördenfehler die irrtümliche Anerkennung verschuldet habe. Im entschiedenen Verfahren lag dann zwar an sich der besondere Widerrufsgrund des § 73 Abs. 5 AsylG vor, weil die Klägerin unter dem Schutz der UNRWA stand, allerdings sei die Aufhebungsentscheidung des Bundesamts im Ergebnis doch rechtswidrig gewesen, nämlich wegen des in § 73 Abs. 4 Hs. 2 AsylG klarstellend zum Ausdruck gebrachten „Grundsatzes der doppelten Deckung“, eben weil die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung von Familienflüchtlingsschutz habe.
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