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Ausgabe 157 • 9.8.2024

Einfachste Nachforschung

Das Rückführungsverbesserungsgesetz und insbesondere die neuen Regeln zur Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet beschäftigen die Rechtsprechung auch in dieser Woche. Außerdem geht es um die Obdachlosigkeit von Schutzsuchenden in Irland, um rechtswidrige Dublin-Haft bei Behördenfehlern und um möglicherweise bald bevorstehende Abschiebungen nach Libyen.

Menschenrechtsschutz

Obdachlosigkeit von Schutzsuchenden in Irland verletzt Grundrecht auf Menschenwürde

Der irische High Court hält in seinem Urteil vom 1. August 2024 (Az. [2024] IEHC 493) fest, dass der irische Staat das durch Art. 1 GRCh garantierte Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde von Schutzsuchenden verletzt hat, indem er zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 keine ausreichenden Kapazitäten für ihre Unterbringung bereitgestellt hat. Nach Angaben des UNHCR waren in Irland mit Stand 30. Juli 2024 noch 2.353 Schutzsuchende obdachlos.

Asylverfahrensrecht

Keine automatische Offensichtlichkeit bei Ablehnung eines Folgeantrags

Entscheidungen nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG, wonach ein zulässiger und unbegründeter Folgeantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, sind nur gerechtfertigt, wenn der Antrag tatsächlich und eindeutig aussichtslos ist, sagt das Verwaltungsgericht Schwerin in seinem Beschluss vom 19. Juli 2024 (Az. 15 B 1344/24 SN). Das Spannungsverhältnis zwischen der nach dem Wortlaut der Norm auf den ersten Blick zwingenden Entscheidung bei einfach unbegründeten Folgeanträgen und dem verfassungsrechtlich weiterhin geforderten Eindeutigkeitsurteil sei dahingehend aufzulösen, dass die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auf einer die Rechtsfolge rechtfertigenden Sachverhaltsaufklärung und Begründung beruhen müsse. Praktische Schwierigkeiten beim Erreichen eines solchen Begründungserfolgs müsse zunächst das Bundesamt auflösen, wofür eine reduzierte Anwendung von § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG oder auch von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Betracht komme.

Außerdem erscheine es zweifelhaft, jeden weiteren Asylantrag als Folgeantrag zu behandeln, gleich ob er nach einem kleinen oder sehr großen Zeitablauf erfolge und ob zwischenzeitlich eine Rückkehr ins Heimatland erfolgt sei oder nicht. Damit würden zum einen völlig unterschiedliche Fälle gleich behandelt werden, und zwar wegen der rechtsschutzverkürzenden Rechtsfolge des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG in gegenüber der Rechtschutzgarantie durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bedenklicher Weise. Wegen der strikten Rechtsfolge, die § 30 Abs. 1 AsylG nunmehr dem Wortlaut nach und wenigstens in der Regel habe, erscheine es aus systematischen Gründen geboten, atypische Fälle von erneuten Asylantragstellungen nicht als „nach“ einem früheren Asylantrag im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG gestellt aufzufassen, sondern als „normale“ Asylanträge mit normalem Rechtsschutz über ein Klageverfahren zu behandeln.

Asylverfahrensrecht

Keine Zurechnung mutwilligen Vernichtens

Das Tatbestandsmerkmal des „mutwilligen“ Vernichtens oder Beseitigens in § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG verlangt neben dem aktiven Tun, dass der entsprechende Akt mutwillig erfolgte, was die Absicht voraussetzt, durch die entsprechende Handlung die Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit zu verhindern, meint das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Beschluss vom 26. Juli 2024 (Az. 4 L 326/24 A). Der Offensichtlichkeitsausspruch sei nach neuer Rechtslage daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Schutzsuchende durch die Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuschen wolle. Einem minderjährigen Kind könne ein mutwilliges Vernichten von Identitäts- oder Reisedokumenten durch seine sorgeberechtigten Eltern nicht zugerechnet werden, weil das mit dem sofortigen Verlust des (vorläufigen) Bleiberechts verbundene Offensichtlichkeitsverdikt nach § 30 AsylG nur bei einer groben persönlichen Pflichtwidrigkeit des Schutzsuchenden in Betracht komme; die sonst im Verfahrensrecht vorgesehene Zurechnung von Vertreterverschulden scheide hier aus.

Asylverfahrensrecht

Staatlicher Schutz führt nicht zur Belanglosigkeit

Aus staatlichem Schutz vor Verfolgung nach §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AsylG und aus einer internen Fluchtalternative nach § 3e AsylG kann nicht auf die Belanglosigkeit im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG geschlossen werden, meint das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 18. Juli 2024 (Az. 7 L 1825/24.A). Diese Ausschlussgründe seien entscheidungstragend erst dann relevant, wenn im Übrigen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer begründeten Verfolgungsfurcht oder eines ernsthaften Schadens anzunehmen wäre. In derart gelagerten Fällen sei der Vortrag aber ersichtlich nicht per se asylfremd, sodass aus dem Vorliegen eines der genannten Ausschlussgründe nicht auf die Belanglosigkeit im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG geschlossen werden könne. Außerdem müssten die vorgetragenen Umstände zur Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Hinblick auf die Voraussetzungen beider Schutzgewährungen, der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes, belanglos sein.

Asylverfahrensrecht

Kein Untertauchen ohne einfachste Nachforschung

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darf nicht von einem Untertauchen eines Schutzsuchenden gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ausgehen, wenn es seinen aktuellen Aufenthaltsort durch einfachste Nachforschung hätte ermitteln können, etwa durch eine Rückfrage beim Prozessbevollmächtigten des Betroffenen, sagt das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 16. Juli 2024 (Az. M 25 K 23.31535). Durch dessen Mandatierung bringe der Betroffene zumindest grundsätzlich zum Ausdruck, dass er ein Interesse an einer Sachentscheidung habe.

Abschiebungshaftrecht

Bundesgerichtshof zu Abschiebungen nach Libyen

Der Bundesgerichtshof berichtet in seinem Beschluss vom 23. Juli 2024 (Az. XIII ZB 36/24) über eine Behördeneinschätzung, dass die Durchführbarkeit von Abschiebungen nach Libyen möglicherweise schon ab Herbst 2024 keine bloße Hoffnung der zuständigen Behörde sei, sondern eine auf konkrete Tatsachen gestützte begründete Aussicht. Die Innenministerkonferenz hatte den Bund unter anderem im Juni 2024 aufgefordert, Abschiebungen von Gefährdern und Straftätern u.a. nach Libyen möglich zu machen.

Abschiebungshaftrecht

Verspätete Meldung an Bundesamt macht Dublin-Haft rechtswidrig

Meldet eine Behörde den Aufgriff eines unerlaubt eingereisten Ausländers wegen einer Namensgleichheit erst mit einer Verzögerung von zwölf Tagen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dann stellt das einen Verstoß gegen das in Haftsachen geltende Beschleunigungsverbot dar und macht die Haft rechtswidrig, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 11. Juni 2024 (Az. XIII ZB 36/21). Dabei komme es nicht darauf an, dass die Fristen zur Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs aus Art. 28 der Dublin-III-Verordnung gleichwohl gewahrt wurden.

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