Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in seinem Beschluss vom 25. November 2021 (Az. 11 A 571/20.A) die Abschiebung eines in Italien subsidiär Schutzberechtigten nach Italien untersagt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verpflichtet, für Italien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen. Der Schutzberechtigte werde, so das OVG, in Italien seine elementarsten Bedürfnisse nach der Jawo-Rechtsprechung des EuGH („Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können, was zu einem Verstoß gegen Art. 4 GRCh sowie Art. 3 EMRK führen würde. Das OVG führt im Detail aus, wie es zu seiner Bewertung der Aufnahmebedingungen in Italien gelangt ist, zur abweichenden Rechtsprechung des VGH Mannheim hält es dessen Tatsachengrundlagen für entweder falsch interpretiert oder zeitlich überholt. Es ist erstaunlich und begrüßenswert, in welcher Offenheit OVG Münster und VGH Mannheim (unterstützt vielleicht vom VGH München) ihre Bewertungsunterschiede zu den Lebensbedingungen von Schutzsuchenden und Schutzberechtigten in Italien diskutieren; auf eine Fortsetzung darf man gespannt sein.
Wird nach Gewährung internationalen Schutzes in Griechenland vom Schutzsuchenden ein weiterer Asylantrag in Deutschland gestellt, dürfe dieser nicht als unzulässig abgelehnt werden, so das Oberverwaltungsgericht Bremen in seinem Beschluss vom 16. November 2021 (Az. 1 LB 371/21), den es in einer Pressemitteilung erläutert. Zwar handele es sich um einen Zweitantrag und seien die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG an sich erfüllt, jedoch sei die Unzulässigkeitsentscheidung nicht mit EU-Recht vereinbar. Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete nämlich Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der EU-Asylverfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten, einen Asylantrag trotz Zuerkennung internationalen Schutzes in einem anderen EU-Mitgliedstaat als unzulässig abzulehnen, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. des Art. 3 EMRK drohe, dies sei in Hinblick auf die Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland der Fall, weil jedenfalls der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in Griechenland in eine Situation extremer materieller Not geraten werde und dadurch seine elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen könne. Das OVG Bremen schließt sich in diesem ausführlich begründeten Beschluss der Rechtsprechung anderer Rechtsmittelgerichte (OVG Lüneburg, OVG Koblenz, OVG Münster) an.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 30. November 2021 (Az. 40240/19, Avci gegen Dänemark) mehrheitlich keine Verletzung von Art. 8 EMRK darin gesehen, dass Dänemark den Beschwerdeführer in diesem Verfahren, der 1993 in Dänemark geboren wurde und dort 25 Jahre legal gelebt hat, nach Verbüßung einer Strafhaft ausgewiesen und abgeschoben sowie ein dauerhaftes Einreiseverbot verhängt hat. Der EGMR begründete dies damit, dass er nach dem Grundsatz der Subsidiarität lediglich prüfe, ob die nationalen Gerichte die Abwägung der Interessen des Betroffenen und des Staates anhand der vom EGMR aufgestellten Kriterien vorgenommen hätten, was hier der Fall gewesen sei. In einem Minderheitenvotum haben drei Richterinnen und Richter des EGMR eine Verletzung von Art. 8 EMRK angenommen und der Mehrheit des Gerichts eine Verletzung der vom EGMR entwickelten Kriterien zur Prüfung der Vereinbarkeit von Ausweisungen und Einreiseverboten mit der EMRK vorgeworfen.
In einem Beschluss vom 23. November 2021 (Az. 3 B 58/21) hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen eine Ausländerbehörde im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, eine Duldung zum Zwecke der häuslichen Pflege der Mutter des Antragstellers zu erteilen; ein solcher Anspruch ergebe sich aus § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, weil die Abschiebung des Antragstellers aus rechtlichen Gründen unmöglich sei, nämlich gegen den von Art. 6 GG umfassten Schutz der Familie verstoßen würde. Es komme dabei nicht darauf an, ob die tatsächlich erbrachte Hilfe auch von anderen Personen, etwa einem Pflegedienst, geleistet werden könne, das Wesen der Familie als Beistandsgemeinschaft werde vielmehr durch die direkte Lebenshilfe der Angehörigen geprägt.