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Ausgabe 88 • 24.3.2023

Grundsätzliche Klärung

Die Frage der Inhaftierung von Schutzsuchenden in Litauen wird von deutschen Gerichten nicht einheitlich beurteilt und das OVG Münster will sich zur Suspendierung von Dublin-Überstellungen nach Italien (noch) nicht äußern.

Keine Dublin-Überstellung nach Litauen

Das Verwaltungsgericht Weimar hat in seinem Beschluss vom 10. März 2023 (Az. 7 E 242/23 We) die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine beabsichtigte Dublin-Überstellung nach Litauen angeordnet. Zwar gebe es keine systemische Mängel des litauischen Asylverfahrens und sei auch die Situation anerkannter Schutzberechtigter in Litauen nicht zu beanstanden, jedoch lägen ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür vor, dass im Dublin-Verfahren nach Litauen überstellte Schutzsuchende de facto während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens inhaftiert würden. Es gebe in Litauen keine offenen Einrichtungen für die Unterbringung von Schutzsuchenden mehr, so dass davon auszugehen sei, dass sie im Regelfall, und nicht nur im Einzelfall, ausschließlich in geschlossenen Einrichtungen untergebracht würden, was als Inhaftierung anzusehen und klar europarechtswidrig sei. Das VG bezieht sich zur Einschätzung der Unterbringungssituation in Litauen ausführlich auch auf den Bericht von Amnesty International zur Situation von Schutzsuchenden in Litauen von Juni 2022.

Dublin-Überstellung nach Litauen

In seinem Beschluss vom 14. März 2023 (Az. 11 A 298/23.A) lehnt das Oberverwaltungsgericht Münster die Zulassung der Berufung gegen ein eine Dublin-Überstellung nach Litauen erlaubendes Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ab. Unter anderem der Bericht von Amnesty International zur Situation von Schutzsuchenden in Litauen von Juni 2022 weise darauf hin, so das OVG, dass Schutzsuchende in Litauen eine Unterbringung ohne Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit erhalten könnten. Damit erscheine es naheliegend, dass Schutzsuchende eine Unterkunft erhalten können, in der ihre Bewegungsfreiheit nicht in einer eine Haft kennzeichnenden Weise beschränkt werde.

Dublin/Italien: Einstweilen keine Klärung vor dem OVG

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 16. März 2023 (Az. 11 A 252/23.A) einen Antrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge auf Zulassung der Berufung in einem Verfahren abgelehnt, in dem das erstinstanzlich mit dem Verfahren befasste Verwaltungsgericht Arnsberg offenbar einer Klage gegen eine Dublin-Entscheidung wegen der Suspendierung von Dublin-Überstellungen durch Italien stattgegeben hatte.

Das beklagte Bundesamt habe nicht ausreichend dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, sondern rüge alleine rechtliche und tatsächliche Bewertung durch das Verwaltungsgericht. Eine grundsätzliche Klärung von Tatsachenfragen könne immer nur durch das jeweilige Obergericht für seinen Bezirk erfolgen, so dass die vom Bundesamt benannten abweichenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Regensburg, München, Augsburg, Göttingen und Gießen irrelevant seien.

Soweit das Bundesamt abweichende Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Köln und Aachen angeführt habe, bedürfe dies keiner obergerichtlichen Klärung aus Gründen der einheitlichen Rechtsprechung, weil die abweichende Bewertung der Informationsschreiben der italienischen Behörden vom 5. und 7. Dezember 2022 in diesen Entscheidungen nicht entscheidungstragend zur Ablehnung der jeweiligen Anträge im Eilrechtsschutz geführt hätten. Außerdem sei in dem Verfahren vor dem VG Aachen bereits eine ausdrückliche Zustimmung der italienischen Behörden zur Übernahme erteilt gewesen und seien diese Entscheidungen sämtlich bereits im Januar 2023 getroffen worden, also zu einem Zeitpunkt, als seit den Informationsschreiben der italienischen Behörden erst vier bis sechs Wochen vergangen waren. Inzwischen seien Dublin-Rücküberstellungen nach Italien aber seit mehr als drei Monaten ausgesetzt, ohne dass absehbar sei oder von den italienischen Behörden auch nur angedeutet worden wäre, wann und ob Dublin-Rückkehrende wieder aufgenommen werden.

Vermischtes vom Bundesverwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Februar 2023 (Az. 1 B 62.22) eine Nichtzulassungsbeschwerde des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in einem Verfahren zurückgewiesen, in dem es um die Überstellung eines in Italien anerkannten Schutzberechtigten nach Italien ging. In dem Revisionsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Februar 2019 (Az. 15 K 936.17 V), in dem es um die die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung zu einem minderjährigen Ausländer ging, hat das Auswärtige Amt die von ihm eingelegte Revision zurückgenommen und das BVerwG das Verfahren daher mit Beschluss vom 17. November 2022 (Az. 1 C 17.22) eingestellt.

EUAA-Rechtsprechungsübersicht

Die Europäische Asylagentur (EUAA) hat Ausgabe 01/2023 ihres vierteljährlichen, thematisch gegliederten Updates zur Asylrechtsprechung in der Europäischen Union veröffentlicht, das den Zeitraum Dezember 2022 bis Februar 2023 abdeckt.