Für Dublin-Rückkehrer besteht in Kroatien grundsätzlich keine reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, auch nicht in Hinblick auf Pushbacks oder Kettenabschiebungen, sagt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seinem Urteil vom 11. Mai 2023 (Az. A 4 S 2666/22). Dem Gericht sei durchaus bewusst, dass es in einigen Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen nach zahlreichen Berichten immer wieder zu Pushbacks kommen solle, gerade auch in Kroatien, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Praxis bereits als menschenrechtswidrig beanstandet habe. Die Problematik von Pushbacks an den EU-Außengrenzen sei allerdings als solche nicht entscheidungserheblich. Vielmehr stehe im Zentrum die Frage, ob rechtswidrige Pushbacks oder Kettenabschiebungen bzw. Verstöße gegen den Non-Refoulement-Grundsatz auch von Dublin-Rückkehrern nach Rückführung oder freiwilliger Rückkehr nach Kroatien zu erwarten seien. Hierfür fehlten nach Überzeugung des Gerichts tragfähige Erkenntnismittel, insbesondere würden die vom Verwaltungsgericht Braunschweig (Urteil vom 24. Mai 2022, Az. 2 A 26/22) und im Anschluss daran vom Verwaltungsgericht Freiburg (Beschluss vom 26. Juli 2022, Az. A 1 K 1805/22) aufgeführten Erkenntnismittel die aus dem unionsrechtlichen Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens folgende Vermutung einer ordnungsgemäßen Behandlung von Asylantragstellern in Kroatien nicht widerlegen.
Das Verwaltungsgericht Hamburg geht in seinem Beschluss vom 14. April 2023 (Az. 7 AE 1475/23) davon aus, dass Schweigen eines Dublin-Staats auf ein Selbsteintrittsersuchen nach Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO keine Zustimmung bedeutet und somit auch keinen Dublin-Zuständigkeitsübergang auslöst. Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO sehe zwar eine Zweimonatsfrist zur Beantwortung eines solchen Ersuchens vor, enthalte aber keine Stattgabefiktion. Eine ergänzende Anwendung der in Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO enthaltenen Stattgabefiktion auf Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO verbiete sich nicht nur wegen des Wortlauts von Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO, sondern auch aus systematischen Gründen und mit Blick auf den jeweiligen Zweck der Regelung. Die Stattgabefiktion sei Teil der Bestimmungen zum Aufnahmeverfahren (Kapitel VI), das sich auf die materiellen Zuständigkeitskriterien in Kapitel III beziehe und diese um die zur praktischen Anwendung erforderlichen Verfahrensvorschriften ergänze. Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung stehe hingegen sowohl nach der textlichen Gliederung (in Kapitel IV) als auch nach seinem Inhalt selbständig neben diesen Zuständigkeitskriterien und neben dem zugehörigen Verfahren.
Ein Antrag auf Zulassung der Berufung kann trotz eines Gehörverstoßes im Einzelfall ohne Erfolg bleiben, wenn der Verstoß ausnahmsweise mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleibt und sich auf das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auswirkt, meint der Verwaltungsgerichtshof München in seinem Beschluss vom 20. April 2023 (Az. 24 ZB 23.30078). Der VGH folgert dies aus einer analogen Anwendung von § 144 Abs. 4 VwGO, die allerdings nur ausnahmsweise in Betracht kommen solle, da andernfalls eine Entwertung der Verfahrensgarantien drohe. Gerechtfertigt sei die Anwendung der verfahrensökonomischen Zielsetzung des § 144 Abs. 4 VwGO jedoch, wenn der Verstoß mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleiben werde. Dies sei der Fall, wenn der Gehörsverstoß erstens nur einzelne Feststellungen und nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens betreffe und es zweitens auf diese Feststellungen für die Entscheidung und nach der dafür maßgeblichen Sachlage nicht oder nicht mehr ankomme. In dem entschiedenen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht aus Sicht des VGH eine rechtswidrige Überraschungsentscheidung getroffen, weil es das Ergebnis einer von ihm initiierten Prüfung, ob der dem Kläger in Rumänien gewährte internationale Schutz noch fortbestand oder nicht, nicht abgewartet habe.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte berichtet in einer Pressemitteilung vom 1. Juni 2023 darüber, dass er in 1350 Verfahren vorläufige Maßnahmen aufgehoben hat, die er im Zeitraum zwischen Oktober 2022 und April 2023 gegen Belgien erlassen hatte, weil Asylsuchende in Belgien keine Unterkunft und Verpflegung erhalten hatten. In diesen 1350 Verfahren hätten die Antragsteller die Verfahren nicht weiter verfolgt, in weiteren 312 Verfahren blieben die vorläufigen Maßnahmen jedoch in Kraft.
Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg meint in seinem Beschluss vom 24. April 2023 (Az. 2 M 16/23), dass ein volljähriger Ausländer, der ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet anstrebt, eigene Täuschungshandlungen grundsätzlich nicht mit Täuschungshandlungen seiner Eltern und sich daraus für ihn ergebenden Zwängen rechtfertigen kann. „Gute Integration“ setze nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Akzeptanz der hiesigen Rechtsordnung und Kultur voraus, dazu gehörten insbesondere wahrheitsgemäße Angaben über die eigene Identität. Täuschungshandlungen eines Heranwachsenden könne ein geringeres Gewicht beizumessen sein, nämlich insbesondere dann, wenn der Heranwachsende noch mit seinen Eltern zusammenlebe. Dies gelte nach Vollendung des 21. Lebensjahres aber jedenfalls nicht mehr.
Ein Verfahrenskostenhilfeantrag im Haftbeschwerdeverfahren erledigt sich, wenn und soweit die Rechtsbeschwerde erfolgreich ist, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 4. April 2023 (Az. XIII ZB 79/20), weil dem Betroffenen dann ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Körperschaft zusteht, deren Behörde die Haft beantragt hat. Einer solchen Erledigung stehe nicht entgegen, dass dem Kostenerstattungsanspruch des Betroffenen aufrechenbare Gegenforderungen der Körperschaft gegenüberstehen könnten, auch wenn das im Ergebnis dazu führe, dass der Rechtsanwalt mit seiner Vergütung ausfalle. Es stehe dem Betroffenen frei, die Rechtsbeschwerde oder die Begründung der Rechtsbeschwerde von der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe abhängig zu machen; in diesem Fall sei über den Verfahrenskostenhilfeantrag vorab zu entscheiden.