Das Verwaltungsgericht Köln geht in mehreren Beschlüssen vom 12. Mai 2025 (Az. 23 L 741/25.A, 23 L 833/25.A und 23 L 740/25.A) davon aus, dass ein noch laufendes Asylverfahren eines in Deutschland geborenen Kindes die Rechtmäßigkeit von Abschiebungsandrohungen gegen die Eltern nicht beeinträchtigt, wenn die Eltern bereits in einem anderen EU-Staat internationalen Schutz erhalten haben. Zwar sei Deutschland gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens für das Kind zuständig, allerdings könnten die Eltern gemäß Art. 9 Dublin-III-VO den Wunsch äußern, dass das Asylverfahren stattdessen in dem anderen EU-Staat durchgeführt werde, in dem die Eltern bereits Schutz erhalten hätten. Dass die Eltern diesen Wunsch bislang nicht geäußert hätten, stehe der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht entgegen, weil es alleine in ihrer Sphäre liege, diesen Wunsch zu äußern und damit die gewünschte Familieneinheit zu verwirklichen. Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Dublin-III-VO sei gerade nicht, dass die Familie sich den für sie zuständigen Mitgliedstaat aussuchen könne und sich durch Verweigerung der Kundgabe des Wunsches selbst ein Abschiebungshindernis schaffe.
Die Argumentation in den Kölner Beschlüssen ist auch rechtlich fragwürdig. Das Gericht beruft sich in seiner Argumentation maßgeblich auf die Schlussanträge des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof im Verfahren C-720/20 vom 24. März 2022 (dort. Rn. 60), unterschlägt aber, dass es der Gerichtshof im selben Verfahren später anders gesehen hat als der Generalanwalt (Urteil vom 1. August 2022, Rn. 42ff.). Gerade das ausdrückliche Abweichen des Gerichtshofs von den Schlussanträgen verbietet doch, sich dennoch auf die Schlussanträge zu berufen. Dass die zahlreich (wenngleich nicht im Dublin- bzw. Drittstaaten-Kontext) vorliegende obergerichtliche deutsche Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit von Abschiebungsandrohungen bei noch laufenden Asylverfahren von Familienmitgliedern (siehe etwa HRRF-Newsletter Nr. 153 und Nr. 172) nicht einmal ansatzweise erwähnt oder berücksichtigt wird, überrascht dann auch nicht mehr. In den Hauptsacheverfahren wäre ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof möglicherweise eine gute Idee, falls man nicht ohnehin von einem acte éclairé ausgehen will.
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