Kein Ausreisegewahrsam nach unverschuldeter Nichtausreise

Ein vollziehbar zur Ausreise verpflichteter Ausländer ist während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe wegen einer Straftat, die er ohne Kenntnis davon begangen hat, wann die ihm gesetzte Ausreisepflicht beginnt und endet, im Sinne des § 62b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert, weswegen auf Grundlage dieser Norm kein Ausreisegewahrsam gegen ihn angeordnet werden darf, sagt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2024 (Az. XIII ZB 53/21). Sei es einem Ausländer wie hier im Falle einer Inhaftierung objektiv unmöglich, seiner Pflicht zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, so könne ein Verschulden nur angenommen werden, wenn der Ausländer den Hinderungsgrund in dem Wissen oder zu dem Zweck herbeigeführt habe, damit die Ausreise zu vereiteln. Dieses Verschulden müsse sich auf eine bestehende und konkret bevorstehende Ausreisepflicht beziehen, während die bloß abstrakte Möglichkeit, dass eine solche Ausreisepflicht entstehen werde, nicht genüge.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Newsletter

  • Fortdauernde Flucht

    Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt, dass man zu jeder migrationsrechtlichen Frage Entscheidungen von mindestens zwei Gerichten finden kann, in denen zu dieser Frage gegensätzliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin probiert in dieser Woche aus, ob man das nicht auch innerhalb des Gerichts hinkriegt: Die 37. Kammer…

    Weiterlesen..

  • Contra mundum

    Es geht in dieser Woche um die vom französischen Asylgerichtshof angenommene Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gazastreifen, um Gefahren in der Zentral- und Westukraine, die das Verwaltungsgericht Berlin für nicht beachtlich hält, und um mögliche Kampfeinsätze in der Ukraine als Gefahr für russische Wehrpflichtige, über die sich…

    Weiterlesen..

  • Schwierige Verhältnisse

    Die Rechtsprechung im Asyl- und Migrationsrecht wird gefühlt auch jede Woche politischer. Das liegt wohl weniger an den Gerichten als vielmehr an der neuen Bundesregierung, die mit juristisch zweifelhaftem Aktionismus aufwartet und aufwarten lässt. In dieser Woche geht es dementsprechend um Zurückweisungen, die vielleicht gar keine…

    Weiterlesen..

  • Fiktiver Aufenthalt

    Was tut die italienische Regierung mit einem leerstehenden Migrationszentrum in Albanien, in dem sie keine Schutzsuchenden unterbringen (d.h. inhaftieren) kann, weil die italienischen Gerichte Einwände haben? Sie widmet das Zentrum einfach in eine Abschiebungshaftanstalt um. Ärgerlich nur aus Sicht der Regierung, dass die italienischen Gerichte schon…

    Weiterlesen..

  • Restriktivere Handhabung

    Mal wieder eine Dublin-Woche im HRRF-Newsletter, in der darum geht, ob die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils einem neuen Dublin-Bescheid im Wege steht (ja), ob Dublin-Überstellungsfristen durch gerichtlichen Eilrechtsschutz unterbrochen werden (man ist sich nicht einig) und ob Schutzberechtigten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen (man ist sich ebenfalls…

    Weiterlesen..

ISSN 2943-2871