Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs hat in einem Beschluss vom 22. Mai 2025 (Rs. C-195/25) entschieden, dass der Gerichtshof ein bei ihm anhängiges Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Richtlinie 2001/55/EG über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes entgegen der Ansicht der für das Verfahren zuständigen Kammer im beschleunigten Verfahren behandeln wird. In dem Verfahren geht es um die Rechtslage in Schweden, wonach Ausländer, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde, zwar einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellen dürfen, aber keinen Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes, und um die Frage, ob diese Rechtslage nicht gegen die Richtlinie verstößt.
Die Richtlinie 2001/55/EG enthält die klare Aussage, dass die Gewährung vorübergehenden Schutzes die Beantragung und Gewährung von Flüchtlingsschutz nicht berührt, schweigt aber zur Frage, ob das auch für den subsidiären Schutz gilt. Dieses Schweigen ist nicht überraschend, weil das Konzept des subsidiären Schutzes auf der Ebene des europäischen Rechts erst 2004 in der Richtlinie 2004/83/EG etabliert wurde, die Richtlinie 2001/55/EG es also noch gar nicht berücksichtigen konnte. Vielleicht sind aber auch die an den Europäischen Gerichtshof übermittelten Fragen falsch gestellt, denn es müsste doch eigentlich umgekehrt gefragt werden (lex posterior usw.), ob die EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU und die EU-Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU es überhaupt erlauben, die Stellung eines Antrags auf Gewährung subsidiären Schutzes zu verbieten.
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