Griechenland darf Schutzsuchenden nicht vorschreiben, dass sie persönlich erscheinen müssen, wenn über einen Rechtsbehelf verhandelt wird, den sie gegen die Ablehnung ihres Asylantrags eingelegt haben, sagt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Juli 2025 (Rs. C-610/23). Eine solche Vorgabe und die automatische Zurückweisung des Rechtsbehelfs im Falle des Nichterscheinens seien unverhältnismäßig und verstießen gegen EU-Recht, weil es weniger einschneidende Mittel gebe, um den mit der Vorgabe angestrebten Verbleib des Schutzsuchenden gerade in Griechenland sicherzustellen, etwa durch eine Meldepflicht bei Behörden. Die Vorgabe sei nicht zuletzt deswegen unverhältnismäßig, weil über Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung von Asylanträgen ausschließlich in Athen verhandelt werde, so dass Betroffene je nach ihrem Aufenthaltsort in Griechenland weit reisen müssten. Der Gerichtshof hat zu seinem Urteil auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Die Argumentation des Gerichtshofs entspricht ziemlich genau der deutschen Grundrechtsdogmatik, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit praktisch universell anwendet, wenn (Grund-)Rechtspositionen durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt werden. Dieser Ansatz ist insofern naheliegend, weil der Gerichtshof auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Bezug nimmt, nämlich auf Art. 47 GRCh, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf garantiert. Eine solche Bezugnahme ist wahrscheinlich umso relevanter, je unbestimmter (wie hier) das EU-Sekundärrecht formuliert ist.
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