In seinem Urteil vom 1. August 2022 (Rs. C-14/21 u. C-15/21, Sea Watch e.V.) hat sich der Europäische Gerichtshof zu der Frage geäußert, wie private Seenotrettungsschiffe von Behörden von EU-Mitgliedstaaten kontrolliert werden dürfen, wenn sie sich in Häfen aufhalten. Hintergrund des Verfahrens war das Festhalten der beiden Schiffe Sea Watch 3 und Sea Watch 4 in italienischen Häfen, weil die Schiffe nach Ansicht italienischer Behörden technische Mängel aufgewiesen hätten. Europarecht ist hier einschlägig, weil die Richtlinie 2009/16/EG über die Hafenstaatskontrolle einen rechtlichen Rahmen dafür geschaffen hat, welche Kontrollen Hafenstaaten durchführen dürfen.
Der EuGH hält Hafenstaatskontrollen von privaten Seenotrettungsschiffen für grundsätzlich mit der Richtlinie vereinbar, allerdings nicht immer, sondern nur dann, wenn der kontrollierende EU-Staat belastbare Anhaltspunkte dafür gefunden hat, und zwar auf Grundlage „detaillierter rechtlicher und tatsächlicher Gesichtspunkte“, dass auf dem Schiff eine Gefahr für die Gesundheit, Sicherheit, die Arbeitsbedingungen an Bord oder die Umwelt vorliegt. Insbesondere dürften die Behörden des Hafenstaats ihren Kontrollen keine Anforderungen zugrunde legen, die nach dem Recht des Flaggenstaats nicht erforderlich seien. Der EuGH weist außerdem ausdrücklich auf die völkerrechtliche Pflicht hin, Leben auf See zu retten, woraus unter anderem folge, dass bei der Überprüfung der Sicherheit eines Schiffs die potenzielle Anwesenheit auch vieler Schiffbrüchiger an Bord keine Kontrollen rechtfertigen könne, selbst wenn sie die zulässige Anzahl der Passagiere weit übersteigen sollte.
Der EuGH hat zu diesem Urteil auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Schreibe einen Kommentar