Kostenerstattung für stationäre psychiatrische Behandlung eines Schutzsuchenden

In seinem Urteil vom 29. Februar 2024 (Az. B 8 AY 3/23 R), über den es in einem Terminbericht und in einer Pressemitteilung berichtet, hat das Bundessozialgericht die Revision des Landkreises Hildesheim gegen die Verurteilung zur Übernahme der Kosten für eine vierwöchige stationäre psychiatrische Behandlung eines Schutzsuchenden zurückgewiesen. Der Kläger hatte sich nach einem Suizidversuch seines Mitbewohners im gemeinsamen Zimmer der Flüchtlingsunterkunft in einem Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge vorgestellt, an einer ambulanten Stabilisierungsgruppe aber nicht teilgenommen, nachdem der beklagte Landkreis seinen Antrag auf Übernahme der Fahrkosten dorthin abgelehnt hatte.

Die Würdigung des Landessozialgerichts, dass die stationäre Behandlung des Klägers wegen des Verdachts auf eine schwere depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung als Notfall notwendig gewesen sei, um den Eintritt eines kritischen Stadiums der Erkrankung zu verhindern und eine Eigengefährdung auszuschließen, sei nicht zu beanstanden, meinte das Bundessozialgericht. „Akut“ im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylbLG könne auch die Verschlimmerung einer bestehenden, gegebenenfalls chronischen Erkrankung sein, wenn die Behandlung wie hier aus medizinischen Gründen unaufschiebbar sei. Die Behandlung sei auch bei einem perspektivisch nur vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlich gewesen und habe in dieser Zeit des Aufenthalts auch abgeschlossen werden können. Nichts anderes hätte gegolten, wenn die Therapie zwar dauerhaft erforderlich gewesen, aber zur Abwendung einer unumkehrbaren oder akuten Verschlechterung in der Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet notwendig geblieben wäre.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  • Textausgabe Deutsches Migrationsrecht (nach der GEAS-Reform)

    Es ist zu erwarten, dass der Deutsche Bundestag in den kommenden Wochen die beiden deutschen Umsetzungsgesetze zur GEAS-Reform von 2024 verabschieden wird, nämlich das GEAS-Anpassungsgesetz, und, gemeinsam mit dem Bundesrat, das GEAS-Anpassungsfolgengesetz. Diese Umsetzung wird zu umfangreichen Änderungen unter anderem…

  • Links zur GEAS-Reform

    Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Mai 2024 wird den Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa verändern, zumindest in unzähligen Details, vermutlich aber jedenfalls auf einer faktischen Ebene auch im Grundsätzlichen. Die GEAS-Reform soll im Juni 2026 in Kraft…

  • Aktuelle EuGH-Urteile vom 1.8.2025

    Etwas zu spät für den HRRF-Newsletter an diesem Freitag hat der Europäische Gerichtshof heute Mittag drei Urteile zum europäischen Flüchtlingsrecht verkündet. Alle drei Urteile sind mittlerweile in deutscher Sprache verfügbar, zu zwei der drei Urteile gibt es außerdem deutschsprachige Pressemitteilungen…

ISSN 2943-2871