EU-Mitgliedstaaten müssen die Grundbedürfnisse von Schutzsuchenden immer decken und können sich dabei nicht auf Überlastung oder unvorhergesehene Umstände berufen, sagt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 1. August 2025 (Rs. C-97/24). In dem Verfahren ging es um zwei Schutzsuchende, die in Irland über mehrere Wochen obdachlos waren und vor einem irischen Gericht eine Schadensersatzklage angestrengt hatte. Der Gerichtshof wies in seinem Urteil darauf hin, dass Art. 18 Abs. 9 der EU-Aufnahmerichtlinie zwar durchaus Ausnahmen vorsehe, wenn staatliche Unterbringungskapazitäten erschöpft seien, der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten aber eine Erfolgspflicht auferlegt habe, die darin bestehe, den betroffenen Antragstellern „unter allen Umständen“ die Deckung ihrer Grundbedürfnisse zu gewährleisten, wozu der ggf. auf dem freien Markt beschaffte Zugang zu Wohnraum gehöre. Dabei könnten Betroffene auch europarechtlich begründete Schadensersatzansprüche gegen den Staat haben und vor nationalen Gerichten geltend machen.
Spannend an diesem Urteil sind vor allem die Ausführungen des Gerichtshofs zur an sich nicht neuen Schadensersatzpflicht von Mitgliedstaaten bei der Verletzung von Europarecht (Rn. 27ff. des Urteils). Für einen Schadensersatzanspruch von betroffenen Schutzsuchenden muss eine individualschützende europarechtliche Norm verletzt sein, muss die Verletzung hinreichend qualifiziert sein und muss ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung und dem eingetretenen Schaden vorliegen. Der Gerichtshof hatte zwar nicht abschließend über das Bestehen eines solchen Schadensersatzanspruches im konkreten Verfahren zu entscheiden, hat aber wenig Zweifel daran gelassen, dass so ein Anspruch besteht. Das dürfte nicht nur Belgien nicht erfreuen, wo alleinstehende männliche Schutzsuche fast schon regelhaft obdachlos sind, sondern könnte auch ein Risiko für deutsche Behörden darstellen, die europarechtswidrig Leistungen verweigern.
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