In seinem Beschluss vom 28. Juni 2025 (Az. 3 L 1160/25.A) hatte das Verwaltungsgericht Minden keine Einwände gegen die Abschiebung eines Straftäters nach Afghanistan und hat die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Betroffenen gegen den Widerruf der zuvor für ihn festgestellten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt. Der Betroffene (der übrigens Mitte Juli 2025 nach Afghanistan abgeschoben wurde) habe „durch sein in der Bundesrepublik Deutschland gezeigtes Verhalten eine derartige Robustheit und die Interessen anderer ausschließende Durchsetzungsfähigkeit sowie Widerstandskraft unter Beweis gestellt“, dass die sichere Prognose getroffen werden könne, er „werde sich trotz der derzeit äußerst schwierigen humanitären Bedingungen in Afghanistan dort schon durchschlagen können“. Insbesondere sein in Deutschland strafrechtlich geahndetes Verhalten belege „anschaulich seine mangelnde Integrationsfähigkeit in die hiesige Rechts- und Gesellschaftsordnung“ und lege „den Schluss nahe, dass er in einer Rechts- und Gesellschaftsordnung mit niedrigerem Zivilisationsgrad besser aufgehoben sein und dort sogar mehr aus seinem Leben machen könnte“.
Der Beschluss zeigt, dass es mit der praktischen Gewährleistung der von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug genommenen Menschenrechte, namentlich des in Art. 3 EMRK enthaltenen Non-Refoulement-Gebots, nicht mehr weit her ist, wenn man nur die Gefahr, und damit die Gefahrenabwehr, eindrücklich genug in den Vordergrund stellt. Es ist kein Zufall, dass die vom Betroffenen in Deutschland verübten Straftaten in Rn. 20 des Beschlusses so ausführlich wie hyperbolisch und fast genussvoll beschrieben werden: Da ist die Rede von einer „empfindlichen“ Freiheitsstrafe, vom „mehrfach“ gezeigten „aktenkundigen“ Verhalten, von der „gefährlichen“ Körperverletzung unter Verwendung eines „gefährlichen“ Werkzeugs, vom „körperlichen“ Übergriff, von „manipulierten“ Drogentests und von „aggressivem“ Verhalten. Der Betroffene hat sich nicht nur nicht integriert, er ist nicht einmal integrationsfähig. Wenn aus Sicht des Gerichts der Schluss naheliegt, dass der Betroffene in einer Rechts- und Gesellschaftsordnung mit „niedrigerem Zivilisationsgrad“ besser aufgehoben ist, dann liegt auch der Schluss nahe, dass das Gericht ihm selbst einen lediglich niedrigerem Zivilisationsgrad zusprechen will. Eines solchen Rückgriffs auf rassistische Stereotype hätte es aber gar nicht bedurft, weil das Gericht ohnehin meint (Rn. 21), dass der Betroffene gesund und arbeitsfähig ist und in der deutschen JVA eine Weiterbildung abgeschlossen und damit Fähigkeiten erworben hat, die ihm „auch in Afghanistan von Nutzen sein können“, so dass er sozusagen wenigstens einige Weihen einer höheren Zivilisation erfahren hat. Das ist natürlich alles keine ernsthafte Auseinandersetzung eines Gerichts mit der Rechtslage, zumal dieselbe Kammer die Lage in Afghanistan nur vier Wochen zuvor auch für alleinstehende und arbeitsfähige junge Männer noch in düstersten Farben geschildert hatte. Die Kammer möge bitte einmal in sich gehen, welchen Zivilisationsgrad sie selbst hier demonstriert hat, und ob sie sich, und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit diesem Beschluss einen Gefallen getan hat.
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