In seinem Urteil vom 9. Mai 2025 (Az. 11 A 1756/24.A) meint das Oberverwaltungsgericht Münster nicht nur, dass Eilrechtsschutz in Dublin-Fällen den Lauf der Dublin-Überstellungsfrist immer unterbricht, sondern auch, dass die faktische Aussetzung von Rücküberstellungen durch Italien allein nicht dazu führt, dass eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG rechtswidrig ist. Der Europäische Gerichtshof gehe davon aus, dass es während der Dauer der aufschiebenden Wirkung eines gegen eine Überstellungsentscheidung eingelegten Rechtsbehelfs unmöglich sei, eine Überstellung vorzunehmen, weshalb die hierzu vorgesehene Frist in diesem Fall erst zu laufen beginne, wenn die aufschiebende Wirkung ende, und zwar unabhängig von der Begründung des die aufschiebende Wirkung anordnenden Beschlusses. Die beiden italienischen Dublin-Rundschreiben von Dezember 2022 änderten außerdem nichts daran, dass im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG feststehe, dass eine Dublin-Überstellung durchgeführt werden könne. Sie konstituierten insbesondere kein Abschiebungshindernis, vielmehr seien diese Erklärungen dem Überstellungsverfahren gemäß Art. 29ff. Dublin-III-VO zuzuordnen. Insofern habe auch vor dem Hintergrund dieser Schreiben zunächst eine Koordination möglicher Überstellungstermine zu erfolgen und führe gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO erst die Nichtüberstellung innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu einem Zuständigkeitsübergang.
Man konnte wohl damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht von einer Unterbrechung der Überstellungsfrist nach Eintritt der aufschiebenden Wirkung einer Klage ausgehen würde. Dass aber die Abschiebungsandrohung rechtmäßig sein soll, übersieht möglicherweise den sprachlichen Gleichlauf zwischen Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO („sobald dies praktisch möglich ist“) und § 34a Abs. 1 AsylG („sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“). Das Oberverwaltungsgericht sagt ausdrücklich (Rn. 105), dass sich die italienische Weigerungshaltung schon nicht auf das Vorliegen der praktischen Möglichkeit der Überstellung auswirken soll, weil nämlich erst der Ablauf der Überstellungsfrist zu einem Zuständigkeitsübergang führe. Die Verwendung des Worts „sobald“ in Art. 29 Dublin-III-VO legt allerdings ein anderes Verständnis nahe, nämlich dass eine Überstellung zu Beginn der Überstellungsfrist praktisch noch nicht möglich ist (weil nämlich die Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten noch nicht stattgefunden haben wird) – dann kann aber auch noch nicht im Sinne von § 34a AsylG feststehen, dass die Überstellung durchgeführt werden kann.
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