Materielles Flüchtlingsrecht
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Verfolgung von Frauen im Iran wegen Verwestlichung
Frauen aus dem Iran haben in der iranischen Gesellschaft als Angehörige der sozialen Gruppe der iranischen Frauen eine erhebliche systematische Ungleichbehandlung zu erwarten, die bei einer fortgeschrittenen „Verwestlichung“ die Qualität einer Verfolgung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 Alt. 1 AsylG erreichen kann, sagt das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom…
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Schleusen von Ausländern ist kein Terrorismus
Bei einem Mitglied eines Schleuserrings lässt sich nicht in vergleichbarer Weise wie bei einem Mitglied einer terroristischen Vereinigung annehmen, dass er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt und damit den Tatbestand des in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG geregelten Ausschlussgrundes erfüllt hat, sagt das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Beschluss vom 18.…
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Verfolgung von Frauen im Irak wegen Verwestlichung
Das Verwaltungsgericht Braunschweig geht in seinem Urteil vom 4. April 2024 (Az. 2 A 26/21) davon aus, dass einer „verwestlichten“ Frau im Irak aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe verwestlichter Frauen landesweit Verfolgung droht. Maßgeblich für die Verwestlichung einer Asylsuchenden sei die Frage, inwiefern sie bereit sei, patriarchalische Rollenvorstellungen zu akzeptieren und sich sowohl ihrem…
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Verfolgung von LGBT*-Personen in Georgien umstritten
Die Frage, ob LGBT*-Personen in Georgien aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der LGBT*-Personen oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK durch nichtstaatliche Akteure oder durch die georgische Bevölkerung ausgesetzt sind, gegen die sie zu schützen der georgische Staat nicht hinreichend willens oder in der Lage…
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Voraussetzungen für Annahme von Verfolgung im Iran
Das Oberverwaltungsgericht Münster klärt in seinem ausführlich begründeten Urteil vom 18. März 2024 (Az. 6 A 1605/20.A) die Voraussetzungen, unter denen Verfolgung im Iran angenommen werden kann. Allein der Umstand, dass sich eine Person in Deutschland länger aufgehalten und einen Asylantrag gestellt habe, löse bei einer Rückkehr in den Iran nach wie vor nicht mit…
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Subsidiärer Schutz für Gaza-Flüchtlinge
In fast schon seltener Einmütigkeit gehen deutsche Verwaltungsgerichte derzeit davon aus, dass Flüchtlingen aus dem Gaza-Streifen in Deutschland subsidiärer Schutz zu gewähren ist, weil dort ein bewaffneter Konflikt herrscht, in dessen Rahmen jeder dort befindlichen Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit droht. Zu den neueren einschlägigen Entscheidungen zählen etwa das Urteil des…
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(Kein) Flüchtlingsschutz bei Verfolgung von Familienangehörigen in Afghanistan
Das Verwaltungsgericht Bremen äußert sich in seinen beiden Urteilen vom 16. Februar 2024 (Az. 3 K 320/22 und 3 K 2458/22) zu den Voraussetzungen für die Flüchtlingsanerkennung, wenn Schutzsuchende aus Afghanistan Familienangehörige haben, die sich noch in Afghanistan aufhalten, früher für die Sicherheitskräfte tätig waren und von den Taliban gesucht oder verfolgt werden. Wenn solche…
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EuGH erklärt subjektive Nachfluchtgründe bei Religionswechsel
In seinem Urteil vom 29. Februar 2024 (Rs. C-222/22) erläutert der Europäische Gerichtshof sehr ausführlich und sehr grundsätzlich, wie die etwas missverständliche Formulierung in Art. 5 Abs. 3 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU zu verstehen ist, wonach es EU-Mitgliedstaaten bei Vorhandensein einer entsprechenden nationalen Regelung erlaubt ist, einen Folgeantrag „unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention“ und „in der Regel“ abzulehnen, wenn…
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Neues zu Eritrea
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz trägt in seinem Urteil vom 24. Januar 2024 (Az. 13 A 10789/23.OVG) das ihm Mögliche bei, die bereits einigermaßen uneinheitliche und unübersichtliche asylgerichtliche Rechtsprechung zu Eritrea (siehe etwa zuletzt HRRF-Newsletter Nr. 111, Nr. 112 und Nr. 113) noch uneinheitlicher und unübersichtlicher zu gestalten, immerhin unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte.…
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EuGH präzisiert Voraussetzungen für internationalen Schutz wegen häuslicher Gewalt
Häusliche Gewalt kann Verfolgung im Sinne der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU darstellen, sagt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Januar 2024 (Rs. C-621/21). Das Übereinkommen von Istanbul (d.h. das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011) binde die Europäische Union seit dem 1. Oktober…